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Geleitwort

Während ihres Bestehens hat die Zeitschrift Pandaemonium Germanicum mehrere thematische Nummern zu Themen wie „200. Todesjahr von Friedrich Schiller" (N. 9/2005), „Der Nobelpreis und die deutschsprachige Literatur" (N. 10/2006), „Beitrag theoretischer Ansätze deutschen Ursprungs zum ‚Letras-Studium' in Brasilien" (N. 16/2011) und „Freud und die Sprach- und Literaturwissenschaften" (N. 20/2012) - um nur einige zu nennen - herausgegeben. Ziel dieser „Dossiers" - die wie auch alle anderen Ausgaben nach den Kriterien der peer review organisiert sind - ist es, Forschungsbeiträge zu einem bestimmten Thema zusammenzustellen. Die Diversifikation der wissenschaftlichen Produktion im Bereich der Germanistik Brasiliens ist jedoch mittlerweile so groß, dass Arbeiten nicht darauf warten können, in spezifischen thematischen Nummern veröffentlicht zu werden. Daher werden wir in Zukunft nur eine thematische Nummer pro Jahr herausgeben, und zwar immer im zweiten Semester des brasilianischen Studienjahrs. Im ersten Semester jeden Jahres akzeptieren wir Beiträge aus allen Bereichen der Germanistik.

Diese Nummer 21 der Pandaemonium Germanicum stellt in der Sektion LITERATUR drei Texte zur zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur - ein Thema, das auch in der Sektion ÜBERSETZUNG wieder aufgenommen wird - , und einen Artikel über Goethe als Kritiker des modernen Individualismus vor.

Der Artikel Die Sehnsucht nach Transzendenz. Zu ihrer Bedeutung im Werk von Botho Strauß von Fritz WEFELMEYER untersucht das Problem der Sehnsucht nach Transzendenz im Werk von Botho Strauß aus verschiedenen Perspektiven. Zuerst wird die Frage unter dem Aspekt der in einer bestimmten Phase von Strauß' Werk entwickelten Gesellschaftstheorie betrachtet. Ein weiterer Gesichstpunkt wird ausgehend von der Darstellung des unglücklichen Bewusstseins des modernen Individuums und seines Versuchs, diesen Zustand zu transzendieren, behandelt. In einem dritten Sinne versucht Strauß, so Wefelmeyer, die Transzendenz durch die Kunst zu erreichen.

Im Text Der "Aufbewahrungsort des Falschen" - Fehler und Zufälle in Wolfgang Herrndorfs Roman Sand am Beispiel des Homonyms Mine untersucht Sonja ARNOLD die Wüstenlandschaft als den Raum des Fremden, Absurden und der Einsamkeit, in dem das Subjekt nicht zu sich selbst findet, sondern sich im Irrtum verliert. Nach Sonja Arnold charakterisieren Fehler und Missverständnisse den Roman sowohl auf der formalen wie auch auf der narrativen Ebene und sind zutiefst an die Konnotation der Wüste als Raum des Vergänglichen, des Unerklärlichen und des Bösen gebunden. Der Roman wird so zum Aufbewahrungsort des Falschen.

Das Problem der Authentizität der Literatur wird im Aufsatz Herta Müller e o ensaísmo autobiográfico na literatura contemporânea em língua alemã von Rosvitha F. Blume erörtert. Unter den Merkmalen der narrativen Autobiographie der Gegenwart hebt Blume besonders den Verzicht auf den Zwang, die Wahrheit der eigenen Biographie erzählen zu müssen, und die Reflexion über die Prozesse des Wiedererinnerns hervor. In der Analyse des stark autobiographischen Charakters der von Herta Müller später in Essays verwandelten Konferenzen zeigt die Autorin, wie nicht nur Müllers Essayistik, sondern auch ihr ganzes schriftstellerisches Projekt politischen Wert erhält.

Im Aufsatz von Felipe Vale da SILVA geht es um den Beginn der Diskussion des Subjektbegriffes. In Die Leiden des jungen Werthers à luz da história do conceito de subjetividade analysiert er den spezifischen Beitrag des Romans von Goethe zur Entstehung dessen, was man heute unter ‚modernem Subjekt' versteht. Anders als viele Kritiker betrachtet Felipe Vale da Silva Goethe als einen der ersten Kritiker des Begriffs der Autonomie des Ichs und des „Individualismus als Wert in sich".

In der Sektion KULTUR werden in Diálogo, conflito e movimento identitário no encontro de culturas: uma análise do filme Bagdá Café von Elaine C. Roschel NUNES, Franziska LORKE und Henrique JANZEN die kulturellen Konflikte, die die Identität der Personen aus dem Film Bagdá Café (Out of Rosenheim, 1987) gestalten und verändern, diskutiert.

Die zeitgenössische Literatur deutscher Sprache ist auch Thema der Sektion ÜBERSETZUNG: im Aufsatz A Perturbação de Thomas Bernhard em Português: Duas Traduções em Comparação untersucht Ruth Bohunovsky die portugiesische und die brasilianische Übersetzung von Bernhards Buch, wobei sie den „performativen" Charakter des Titels hervorhebt: die Verstörung/perturbação, die den ganzen Text durchzieht. In den portugiesischen Versionen des Buches lassen sich, so die Autorin, unterschiedliche Übersetzungsstrategien bei der Übersetzung des verstörenden Stils des deutschen Textes feststellen, die Ausdruck einer kritischen Haltung in Bezug auf den Text von Bernhard sein könnten.

Die in dieser Nummer vorgestellten Artikel zur DEUTSCHEN SPRACHE behandeln zwei spezifische Gesichtspunkte der Germanistik im brasilianischen Kontext. Der erste Aufsatz Syntaktische Nebensatzklassen im Deutschenvon Hardarik BLÜHDORN richtet sich vor allem an das akademische Publikum der brasilianischen Germanistik, mit dem didaktisch motivierten Ziel, Hilfsmittel für Untersuchungen im Bereich der komparativen Syntax bereitzustellen. Die Arbeit gibt einen Überblick über die Klassen der Nebensätze im Deutschen, wobei die internen Relationen (Funktionen und syntaktische Strukturen) explizit gemacht und durch syntaktische Positionen und Felder beschrieben werden. Drei Aspekte werden besonders hervorgehoben: die Funktion von Pronomen (i) und Vergleichspartikeln (ii) in Bezug auf Nebensätze und (iii) die Rolle von Nebensätzen in Spaltkonstruktionen.

Der zweite Aufsatz der Sektion DEUTSCHE SPRACHE versucht zu zeigen, wie der ‚Schülerglaube' in Bezug auf das Erlernen von Deutsch als Fremdsprache Motivation bzw. Demotivation nach sich ziehen kann. Anna Carolina Schäfer stellt in A gramática alemã sob a perspectiva de seus aprendizes: crenças discentes e estratégias de aprendizagem die Ergebnisse ihrer in drei in São Paulo gelegenen Lehreinrichtungen für Deutsch als Fremdsprache durchgeführten Untersuchung vor. Ziel war zu erheben, welche Vorstellungen DaF-Lernende in Bezug auf ihren Lernprozess hegen. Drei dieser Vorstellungen wurden analysiert: „Deutsch ist eine schwierige Sprache", „Deutsch lernen bedeutet Grammatik zu lernen", „Grammatik lernen bedeutet Regeln auswendig zu lernen". Die Arbeit zeigt die enge Beziehung zwischen diesem Glauben und der Verwendung bestimmter Lernstrategien und bemüht sich um angemessene didaktische Strategien zum Abbau von Lernschwierigkeiten.

In der Sektion INTERVIEW spricht Werner HEIDERMANN in Wer interdisziplinär etwas leisten will, darf die Disziplinarität nicht überspringen. Ein Gespräch mit Professor Harald Weinrich mit dem angesehenen deutschen Theoretiker, Romanisten, Germanisten und literarischen Essayisten Harald WEINRICH (*1927). Weinrich ist Gründer des Zentrums für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (1973) und des Institutes für Deutsch als Fremdsprache der Universität Münschen (1978). Er war Dozent an den Universitäten Kiel, Köln, Bielefeld, München und am Collège de France in Paris. Unter seinen zahlreichen Schriften finden sich die folgenden Titel, die seine Berufung zur Interdisziplinarität offenkundig machen: Das Ingenium Don Quijotes (1956, Magisterarbeit), Phonologische Studien zur romanischen Sprachgeschichte (1958, Dissertation), Tempus - Besprochene und erzählte Welt (1964), Sprache in Texten (1976), Textgrammatik der französischen Sprache (1982), Textgrammatik der deutschen Sprache (1993); der Literatur gewidmete Werke: Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens (1997), Knappe Zeit. Kunst und Ökonomie des befristeten Lebens (2004), Über das Haben (2012).

In der Sektion REZENSIONEN wird das illustrierte zweisprachige Visuelle(s) Wörterbuch Portugiesisch / Deutsch (2010) von Félix Bugueño Miranda besprochen. Es handelt sich um ein onomasiologisches Bildwörterbuch, das visuelle Hilfsmittel für den Erwerb von lexikalischer Masse bereitstellt. Der Autor untersucht die Makrostruktur des Wörterbuchs und kommentiert die die innere Struktur bestimmenden Kriterien, die Effektivität der Illustrationen in Bezug auf das vorgestellte Vokabular, sowie die Reichweite seiner Bifunktionalität, d.h. ob es gleichermaßen Nutzern des Deutschen wie auch des Portugiesischen dient.

Wir danken unseren AutorInnen und GutachterInnen und wünschen allen gute Lektüre.

Juliana P. Perez und Masa Nomura, 13. Juni 2013

[Übersetzt von Eva M. F. Glenk]

Publication Dates

  • Publication in this collection
    11 July 2013
  • Date of issue
    June 2013
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
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