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GELEITWORT

Geleitwort zur 15. Ausgabe

Die 15. Ausgabe der Zeitschrift Pandaemonium Germanicum (2010.1) hält neun Aufsätze und eine Rezension vor, die von Wissenschaftlern unterschiedlicher Generationen und Kulturen verfasst wurden und in denen die untersuchten Wissensbereiche, Autoren oder Medien zum großen Teil aus einer interaktiven und grenzüberschreitenden Perspektive heraus betrachtet werden. Daher reihen sich diese Arbeiten in eine Tendenz ein, die sich in der Praxis des kritischen Denkens und der theoretischen Reflexion immer deutlicher herausgebildet hat: Die Welt wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beobachtet und beschrieben.

In der literaturwissenschaftlichen Sektion steht ein in der Germanistik in Brasilien wenig bekannter Autor unter Sabine MAINBERGERs Lupe: der Physiker, Mathematiker und satirische Schriftsteller der Aufklärung Georg Christoph Lichtenberg. Die Autorin untersucht in ihrem Beitrag „Etwas über Gleise oder Versuchsanordnung öffentlicher Platz zu Lichtenbergs Sudelbuchaufzeichnung J 528 den Aphorismus J 528". In dieser eher philosophisch geprägten Arbeit weist die Verfasserin auf die Beziehung zwischen der Vernunft und anthropologisch-gesellschaftlichen Faktoren hin.

Wilma Patricia MAAS wiederum geht in ihrem Aufsatz „Hermenêutica e anti-hermenêutica. Friedrich Schlegel e Schleiermacher" [Hermeneutik und Antihermeneutik. Friedrich Schlegel und Schleiermacher] der Frage auf den Grund, ob Friedrich Schlegel als Schleiermachers Vorgänger angesehen werden kann. Zur Erläuterung ihrer Position greift die Autorin auf drei Schriften Schlegels zurück, in denen sie die Beziehung zwischen seinem philologischen und Schleiermachers hermeneutischem Ansatz aufzeigt.

Auch Natália FADELS Arbeit ist in der Frühromantik angesiedelt. In „A eterna busca da Verdade em Die Lehrlinge zu Saïs, de Novalis" [Die ewige Suche nach der Wahrheit in Novalis' Die Lehrlinge zu Saïs] vergleicht sie die allegorischen Bedeutungen des Mythos von Saïs bei Novalis und Schillers Gedicht über das gleiche Thema, um Novalis' Erkenntnis der Wahrheit zu beschreiben.

Alfred Döblin, einer der Gründer des modernen Romans der deutschen Literatur, wird in Elcio Loureiro CORNELSENs Beitrag „O estilo em Alfred Döblin" [Der Stil bei Alfred Döblin] als Literaturtheoretiker dargestellt, der sein Werk in einer Zeit, die von ihm selbst als „Zeitalter der Technik" bezeichnet wird, geschaffen hat. Aus diesem Grund sei es seiner Auffassung nach notwendig, in Kunst und Wissenschaft auf stilistische Mittel wie den „Kinostil", die „Entmenschlichung", die

„Tatsachenphantasie" und die „Bewegungsphantasie" zurückzugreifen.

Die Musik als Kunstform, der Künstler und seine Beziehung zur Gesellschaft sind das Thema des Aufsatzes von Maryson José Siqueira BORGES „A música demoníaca de Adrian Leverkühn como síntese da danação romântica da arte moderna" [Die teuflische Musik des Adrian Leverkühn als Synthese der romantischen Verdammung der modernen Kunst]. Der Autor entwickelt seine Argumentation von drei unabhängigen und sich gegenseitig ergänzenden Blickwinkeln aus und zeigt durch die Besprechung der romantischen Ursprünge der Zwölftonmusik und der Dialektik der späten Einsicht des Protagonisten Adrian Leverkühns auf, dass Doktor Faustus Thomas Manns ästhetischer, moralischer und gesellschaftlicher Höhepunkt ist.

Simone MALAGUTI geht in ihrem Beitrag „Antes da Queda do Muro, além dele e sem ele: A estética emergente em Die neuen Leiden " [Vor dem Mauerfall, nach ihm und ohne ihn: die in Die neuen Leiden entstehende Ästhetik] auf die Intertextualität zwischen dem Roman Die neuen Leiden des jungen W. und Goethes, Defoes und Salingers Werke ein. Plenzdorfs Roman gilt als ein Vorbild für die kulturelle Gedächtnisschreibung der ehemaligen DDR und wird im Hinblick auf die Anpassungen und Veränderungen im Dialog mit den anderen Werken besprochen.

Elisandra de Souza PEDRO widmet sich in ihrem Aufsatz „Os dois Oskar Matzerath" [Die zwei Oskar Matzeraths] den intertextuellen und intermedialen Besonderheiten in dem Roman und dem Film Die Blechtrommel. Sie untersucht vor allem, wie der Schriftsteller die komplexe Erzählung aufgebaut hat und wie der Filmemacher diese Struktur im Film umsetzt, was zu unterschiedlichen Wahrnehmungs-und Interpretationsformen des Ich-Erzählers und seines Umfelds führt.

In ihrem Beitrag „À procura da literatura austríaca: da construção à análise de um mito" [Auf der Suche nach der österreicherischen Literatur: von dem Aufbau zur Analyse eines Mythos] vertritt Ruth BOHUNOVSKY die Ansicht, dass die österreicherische Literatur in ihrer Besonderheit verstanden werden muss und nicht nur als eine Facette der deutschen Literatur. Die Autorin greift unter anderem auf die Argumentationen von MENASSE, SCHMIDT-DENGLER, SEBALD, WEISS und ZEYRINGER zurück und führt an, dass die österreichischen Schriftsteller vor allem durch den einzigartigen historischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext Österreichs geprägt wurden.

In der sprachwissenschaftlichen Sektion beschreibt Winfried ULRICH das mentale Lexikon als System, in dem Lexeme aufgenommen, gespeichert und nach bestimmten Regeln geordnet und eingesetzt werden. Die Mikrostruktur dieses Netzwerks bildet die Polysemie, die mit Hilfe von Kernbedeutung und Nebenbedeutungen einzelner Lexeme dargestellt werden kann. Anhand von Musterübungen wird gezeigt, wie dieses Thema im muttersprachlichen Unterricht didaktisch umgesetzt werden kann.

In der Rubrik „Rezensionen" bespricht Luis KRAUSZ das 2009 im Verlag Contexto veröffentlichte Buch LTI - A Linguagem do III Reich von Victor KLEMPERER (Übersetzung von Miriam Ölsner). Es handelt sich hierbei um eine spannende und gleichzeitig nüchterne Beschreibung der Sprache des Dritten Reichs und stellt eine wahre Fundgrube für Forschungsarbeiten in diesem Bereich dar.

Wir danken den Autoren der Aufsätze, den Gutachtern und Korrektoren, die die Herausgabe dieser Auflage der Zeitschrift Pandaemonium Germanicum ermöglicht haben. Unser besonderer Dank gilt Deusa Pinheiro Passos für die Korrektur der englischsprachigen Abstracts und Tinka Reichmann für die deutsche Übersetzung des Geleitworts.

Eloá Heise und Masa Nomura

Publication Dates

  • Publication in this collection
    29 Aug 2012
  • Date of issue
    2010
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
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