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Geleitwort

N. 24 (vol. 17)

Kaum jemand würde bezweifeln, dass die Literatur einen unschätzbaren kulturellen Wert besitzt, was die Reflexion über grundsätzliche Fragen der menschlichen Existenz, wie das Leben, den Tod, den Krieg, die Politik oder die Liebe anbelangt. Aber hat die Literatur auch über ein so spezifisches Thema wie die Umwelt etwas beizutragen? Dies zeigt der Artikel von Axel GOODBODY, der einen Überblick über den sogenannten Ecocriticism bietet, d.h. über literarische Studien, die sich mit der besonderen Frage der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt beschäftigen: das Anwachsen dieses Forschungsgebiets im Bereich der deutschen Sprache offenbart, dass die Literatur auch unzählige Modelle zur Reflexion über unsere Beziehung zur Umwelt anbieten kann. Mit der Übersetzung von Goodbodys Aufsatz möchte die Pandaemonium Germanicumder brasilianischen Leserschaft einen bei uns noch wenig bekannten Forschungsbereich vorstellen, welcher sich jedoch schnell in der anglogermanischen Welt entwickelt.

Die Literatursektion enthält drei weitere sehr unterschiedliche Artikel. Der Aufsatz on Eva HOFFMANN, "Brücke dreht sich um!" A Desconstructionist Reading of Kafka's "Die Brücke", möchte zeigen, wie der rätselhafte Text Kafkas dessen eigenen Schreibvorgang widerspiegelt und diesen auf die Probe stellt, und weist hin auf die Unmöglichkeit, den Abgrund zwischen Erlebniswelt und metaphysischer Welt zu überwinden. Die Arbeit von Bruna Della Torre de Carvalho LIMA, Benjamin leitor de Brecht: cinema e distanciamento [Benjamin reads Brecht: cinema e estrangement], behandelt die dialogische Beziehung, die sich zwischen diesen beiden bedeutenden und in Brasilien stark rezipierten Kritikern aufstellen lässt, wenn man über den üblicherweise hervorgehobenen Berührungspunkt zwischen beiden hinausgeht: die Tradition der marxistischen Kritik. Die Autorin erklärt, dass der Brechtsche Begriff des Verfremdungseffekts eine wichtige Rolle in Benjamins Ausdeutung des Kinos spielt, die dieser in den vier Fassungen seines Essays "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" und in seiner Theorie über das Konzept der "Aura" darlegt. Die Sektion schließt mit dem Text Alguns momentos na divisão e união em Hölderlin e Hegel [Some moments of division and unity in Hölderlin and Hegel] von Danilo Chiovatto SERPA, welcher die spannungsvolle Beziehung zwischen dem Philosophen und dem Dichter anhand von Texten wie "Wissenschaft der Logik" von Hegel sowie "Urteil und Sein" und den Vorworten des Hyperion von Hölderlin untersucht.

In der Sektion Übersetzungswissenschaft stellen wir einen Artikel von Simone de MELLO vor, A Tradução da Poesia Ilustrada de Wilhelm Busch no Brasil: Proposta de um Novo Padrão Métrico-Acentual [The Translation of Wilhelm Busch's Illustrated Poetry in Brazil: Towards a New Accentual-Metrical Pattern]. Die Autorin erläutert, warum die Werkrezeption des Dichters, Malers und Karikaturisten Wilhelm Busch (1832-1908) in Brasilien bisher auf das kindliche Publikum beschränkt geblieben war. Im Gegensatz dazu schlägt die Autorin ein neues Versmaß für Buschs Version von "Hänsel und Gretel" vor, um die humoristische Wirkung des Textes herauszuheben und so das Interesse des erwachsenen Publikums zu wecken.

In der Sektion über Sprachwissenschaft behandelt der Aufsatz von Hardarik BLÜHDORN, Wo stehen Adverbialia im Satz? Deutsch und brasilianisches Portugiesisch im Vergleich, das syntaktische Verhalten nicht-satzförmiger Adverbialia im Deutschen und brasilianischen Portugiesisch. Der Autor untersucht sechs Klassen von Syntagmen und berücksichtigt dabei sowohl semantische (Sachverhaltsbeschreibung) wie auch pragmatische (Haltung des Sprechers) Funktionen. Das Ergebnis dieses Vergleichs weist auf die Ähnlichkeit beider Sprachen hin und markiert einen kleinen Unterschied: die starke syntaktische Integration der Adverbialia im Deutschen im Gegensatz zur Möglichkeit einer strukturell freieren bzw. syntaktisch nicht-integrierten Position dieser Elemente im brasilianischen Portugiesisch.

Larisa NIKITINA, Zuraidah MOHD DON und Sal Cheong LOH erforschen in ihrem Artikel "Great Technology, Football and...": Malaysian Language Learners' Stereotypes about Germany stereotypische Bilder über Deutschland, die einem Projekt entstammen, das mit Lernern des Deutschen als Fremdsprache an einer öffentlichen Universität in Malaysia durchgeführt wurde. Die Studie zeigt nicht nur die Bandbreite und Unterschiedlichkeit der Stereotypen, sondern unternimmt auch den Versuch, die Inhalte dieser Bilder zu bewerten, die nach Themen wie "Technologie", "berühmte Persönlichkeiten" und "Autos" geordnet werden. Die Ergebnisse erhalten positive und negative Wertzuschreibungen unter der Anwendung von Begriffen wie Vorteilhaftigkeit, Größe und Auffälligkeit.

Der Aufsatz A influência do inglês no processo de ensino/aprendizagem de alemão por aprendizes brasileiros de terceiras línguas: Abordagens e métodos de investigação [The influence of English on the teaching/learning process of German as a third language for Brazilian learners: Approaches and investigation methods] von Bianca FERRARI stellt Ergebnisse einer empirischen Studie vor, die mit brasilianischen Lernern durchgeführt wurde und den Einfluss des Englischen auf das Erlernen des Deutschen als dritte Sprache zum Gegenstand hatte. Ausgehend von der Annahme, dass die deutsche Sprache zumeist nicht als erste, sondern als zweite Fremdsprache nach dem Englischen erlernt wird, untersucht die Autorin ein Korpus von fünfzig Textproduktionen und kommt zu dem Schluss, dass der auf Vorkenntnissen des Englischen als L2 beruhende interlinguale Einfluss einen wichtigen Faktor beim Erlernen des Deutschen als L3 darstellt. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses spricht sich Bianca Ferrari für die Entwicklung einer Didaktik der Mehrsprachigkeit aus, um den Bedürfnissen der brasilianischen Deutschlerner besser gerecht zu werden.

Franziska SCHWANTUSCHKE untersucht in ihrem Artikel die Eigenschaften der Textsorte Motivationsschreiben, einer Form von Vorstellungstext, die im deutschsprachigen universitären Kontext oft bei der Auswahl von Bewerbern auf Postgraduierungsstudiengänge und Auslandsstipendien herangezogen wird. Anhand eines Korpus von dreißig authentischen Motivationsschreiben und auf der Grundlage textlinguistischer Kategorien untersucht die Autorin die soziale Relevanz sowie die kommunikativen Funktionen dieser Textsorte und betont, wie wichtig es ist, diese Textsorte im universitären Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht zu behandeln.

Diese Ausgabe präsentiert weiterhin auch drei Rezensionen: Till NITSCHMANN stellt die von Florian Vaßen herausgegebene und 2013 erschienene Bibliographie Heiner Müller vor; Félix Bugueño MIRANDA rezensiert den Volksduden, ein vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim publiziertes Nachschlagewerk zur Rechtschreibung, und Dieter STRAUSS schreibt über das Buch Entlarvung des Antisemitismus der Regierungen Vargas und Dutra. Über das Buch "Weltbürger - Brasilien und die jüdischen Flüchtlinge 1933-1948 von Maria Luiza Tucci Carneiro.

Wie immer hoffen wir mit dieser Ausgabe zur Verbreitung originaler Forschungsarbeiten im Bereich der Germanistik beizutragen.

São Paulo, 2. November 2014

Dörthe UphoffEloá HeiseJuliana P. PerezMasa Nomura Übersetzt von Dörthe Uphoff

Publication Dates

  • Publication in this collection
    Jul-Dec 2014
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
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