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Von Glaubenskämpfen und Himmelfahrtskommandos: Metaphorik im deutschen Mediendiskurs zur Inklusion

Glaubenskämpfe and Himmelfahrtskommandos: metaphors in German media discourse on inclusion

Zusammenfassung

Das traditionelle deutsche Schulsystem ist durch seinen hohen Grad an Selektivität gekennzeichnet. Dennoch hat sich Deutschland im Jahr 2008 zu einem inklusiven Bildungssystem verpflichtet. Diese Entscheidung führte zu einer kontroversen Diskussion in den Medien, die bis heute anhält. Aus Sicht der Kognitiven Linguistik (KL) lässt sich in dieser Mediendebatte ein beträchtlicher Gebrauch von Kriegs- und Religionsmetaphern konstatieren. Im Rahmen einer Kritischen Diskursanalyse (KDA) werden in dem vorliegenden Artikel diese metaphorischen Phänomene auf Basis der Theorie der Konzeptuellen Integration analysiert. Das Korpus setzt sich aus Artikeln zusammen, die zwischen 2011 und 2015 in vier Online-Zeitungen nationaler Bedeutung veröffentlicht wurden.

Stichwörter:
Mediendiskurs; Inklusive Bildung; Deutschland; Metaphern; Konzeptuelle Integration

Abstract

The traditional German school system is characterized by its high degree of selectivity. Nevertheless, in 2008, Germany has committed to an inclusive education system. This decision led to a controversial debate in the media, which continues up to this day. From the perspective of Cognitive Linguistics (CL), there can be stated a considerable use of war and religious metaphors in this media debate. Within the framework of Critical Discourse Analysis (CDA), the present paper analyzes these metaphorical phenomena based on Conceptual Integration Theory. The corpus is composed of articles published in four online newspapers of national importance between 2011 and 2015.

Keywords:
Media discourse; Inclusive education; Germany; Metaphors; Conceptual Integration

Resumo

O sistema escolar alemão tradicional é caracterizado por seu alto nível de seletividade. Porém, em 2008, a Alemanha se comprometeu a adotar um sistema educacional inclusivo. Essa decisão causou uma discussão controversa na mídia que continua até hoje. Desde uma perspectiva da Linguística Cognitiva (LC), nota-se um uso considerável de metáforas bélicas e religiosas nesse debate midiático. No presente artigo, orientado pelos pressupostos teóricos da Análise Crítica do Discurso (ACD), pretende-se analisar esses fenômenos metafóricos com base na teoria da Integração Conceitual. O corpus se constitui de artigos publicados entre 2011 e 2015 em quatro jornais digitais alemães de importância nacional.

Palavras-chave:
Discurso midiático; Educação Inclusiva; Alemanha; Metáforas; Integração Conceitual

1 Einleitung

Während in vielen Ländern die Inklusion bereits seit Ende der 1990er Jahre als fester Bestandteil der Bildungssysteme gilt, hat Deutschland das Konzept erst mit der Ratifizierung des "Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" im Jahr 2008 angenommen (Schumann 2014Schumann, Brigitte. "Meilenstein für die inklusive Bildung". In: bildungsklick, 18.06.2014. <http://bildungsklick.de/a/91629/meilenstein-fuer-die-inklusive-bildung/> (02 Okt.2015).
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). Mit dieser politischen Entscheidung begann in den Medien eine kontroverse Debatte, die sich mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (Deutschland 2011Deutschland. Kultusministerkonferenz. Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011). Berlin, 2011. <http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.pdf> (14 Mär 2016).
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) zugunsten der Umsetzung inklusiver Bildung im Jahr 2011 noch verschärft und bis heute kein Ende gefunden hat. In diesem Zusammenhang konzeptualisieren Befürworter und Gegner die Inklusion in unterschiedlicher Art und Weise, wobei aus diskurslinguistischer Sicht die Metaphorik innerhalb der Kontroverse einen hervorzuhebenden Stellenwert einzunehmen scheint. Besonders markant ist in diesem Kontext die Kriegs- und Religionsmetaphorik, der sich auch dieser Beitrag widmet.

Im Rahmen einer Kritischen Diskursanalyse (KDA) wird die Metaphorik in der Debatte hinsichtlich der Frage untersucht, wie Inklusion diskursiv konzeptualisiert wird und welche gesellschaftlichen Konsequenzen diese Konzeptualisierungen mit sich führen. Hierzu wurde ein Korpus zusammengestellt, das aus Artikeln der Online-Versionen überregionaler Tages- und Wochenzeitungen aus den Jahren 2011 bis 2015 besteht. Um ein möglichst differenziertes Bild zu erhalten, wurden in die Korpuszusammenstellung Medien mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung einbezogen. Berücksichtigt wurden im Einzelnen die Online-Versionen der Süddeutschen Zeitung (SZ.de), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ.NET), der BILD (BILD.de) und der DIE ZEIT (ZEIT ONLINE). In Anlehnung an die Theorie Konzeptueller Integration werden in dem vorliegenden Artikel die metaphorischen Phänomene erläutert und abschließend deren konstituierende Effekte unter Bezugnahme des gesellschaftlichen und politischen Kontextes diskutiert.

2 Gesellschaftlicher und politischer Hintergrund

In einem ethisch-philosophischen Sinne verkörpert der Begriff der Inklusion das Ideal einer heterogenen Gesellschaft, in der die Besonderheiten eines jeden Individuums akzeptiert und berücksichtigt werden (Krög 2005Krög, Walter. Einleitung. In: Mensch im Mittelpunkt (MiM); Verein TAFIE Ausserfern (Hg.). Herausforderung Unterstützung: Perspektiven auf dem Weg zur Inklusion. Lechaschau, MiM/TAFIE, 2005, 3-6.: 3). Wird dieses Ideal auf den Bereich der Bildung übertragen, nimmt Inklusion konkrete Züge an, die sich in dem Anspruch auf qualitative und inklusive Bildung für alle Mitglieder der Gesellschaft widerspiegeln. Mittels eines inklusiven Bildungssystems soll garantiert werden, gleiche Chancen für alle - auch für Personen mit besonderem pädagogischem Förderbedarf - etablieren zu können. Offensichtlich scheint, dass die Exklusion aus dem Schulsystem dem Konzept der Inklusion diametral gegenüber steht. Aber auch die Segregation, also die Separierung von Schülerinnen und Schülern in unterschiedliche Schulen, lässt sich nur schwerlich mit den Zielen der Inklusion vereinbaren. Denn im Gegensatz zur Integration, in der die Frage nach dem richtigen Förderort verhandelbar ist, sieht eine inklusive Schulbildung die gemeinsame Beschulung aller Kinder und Jugendlichen vor (Werning 2014Werning, Rolf. Stichwort: Schulische Inklusion. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17(4), 2014, 601-623.: 605ff.).

Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts haben Dokumente wie die Erklärung von Jomtien über "Bildung für alle" (1990) und die Salamanca-Erklärung der UNESCO (1994) zu der internationalen Verbreitung des Grundgedankens inklusiver Bildung beigetragen, sodass weltweit eine Umstrukturierung der Bildungssysteme initialisiert wurde. Dennoch lässt sich nicht für alle Länder in dieser Zeit ein solcher Wandel konstatieren. In Deutschland beispielsweise wurde das Konzept der inklusiven Bildung erst im Jahr 2008 mit der Ratifizierung des "Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" angenommen. Hiermit verpflichtet sich die Bundesrepublik zur Anerkennung des

[...] Recht[s] von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen [...] (Deutschland 2014Deutschland. Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die UN-Behindertenrechtskonvention: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Berlin, 2014.: 35).

Die Umsetzung dieses Rechts geht jedoch nur zögerlich vonstatten, wobei die Ursachen hierfür nicht zuletzt mit der spezifischen Organisation und Gestaltung des deutschen Bildungssystems per se im Zusammenhang stehen. Hinderlich in diesem Prozess ist zum einen die sogenannte Kulturhoheit der Bundesländer. Hierunter ist zu verstehen, dass die Bundesländer für die Gesetzgebung und Verwaltung sämtlicher Bildungsangelegenheiten zuständig sind. Damit dennoch eine gewisse bundesweite Einheitlichkeit gewährt werden kann, wurde die Ständige Konferenz der Kultusminister - kurz: Kultusministerkonferenz - eingerichtet, auf der die Minister und Senatoren der Länder unter anderem gemeinsam Beschlüsse und Richtlinien zur Bildung ausarbeiten. Obgleich die UN-Behindertenrechtskonvention bereits im Jahr 2008 ratifiziert wurde, verfasste die Kultusministerkonferenz den Beschluss zur inklusiven Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen erst drei Jahre später (Deutschland 2011Deutschland. Kultusministerkonferenz. Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011). Berlin, 2011. <http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_10_20-Inklusive-Bildung.pdf> (14 Mär 2016).
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). Allerdings hat auch dieser Beschluss bis heute nicht zu einer einheitlichen Gestaltung inklusiver Bildung geführt. So lassen sich innerhalb der 16 Bundesländer zahlreiche Differenzen feststellen, die sowohl den Fortschritt bei der Umsetzung als auch die Interpretation der UN-Konvention betreffen (Mißling/Ückert 2014Mißling, Sven; Ückert, Oliver. Inklusive Bildung: Schulgesetze auf dem Prüfstand. Berlin, Deutsches Institut für Menschenrechte, 2014. <http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/monitoring-stelle-un-brk/publikationen/> (03 Jan. 2016).
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).

Ein weiteres Hindernis bei der Einführung inklusiver Bildung betrifft den segregativen Charakter des traditionellen deutschen Schulsystems, das dem Prinzip folgt, Personen in möglichst homogen leistungsstarken Gruppen zu unterrichten. Dementsprechend werden nach dem Primärbereich, der (meist) vierjährigen Grundschule, je nach Leistungsstärke Empfehlungen für eine bestimmte Schulform des Sekundärbereichs ausgesprochen. Die Schülerinnen und Schüler mit den besten Noten werden dem Gymnasium zugeordnet, die schlechtesten der Hauptschule, einen Mittelweg stellt die Realschule dar. Hervorzuheben ist, dass sich die Schulen nicht nur hinsichtlich der unterrichteten Fächer, sondern auch in Bezug auf deren Dauer und die zu erreichenden Abschlüsse teilweise deutlich voneinander unterscheiden. So berechtigt ausschließlich der erfolgreiche Abschluss des acht- bis neunjährigen Gymnasiums, das Abitur, direkt zum Besuch einer Hochschule, während die fünf- bis sechsjährigen Real- und Hauptschulen für eine berufliche Ausbildung oder - je nach Notendurchschnitt - für einen weiteren Schulbesuch qualifizieren (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014Autorengruppe Bildungsberichterstattung. Bildung in Deutschland 2014. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen. Bielefeld, Bertelsmann, 2014.: 76ff.; Viotti 2014Viotti, Maria Luiza Ribeiro. A educação básica e o ensino médio na Alemanha. In: Brasil. Coleção Mundo Afora no 11: Educação Básica e Ensino. Brasília, 2014, 22-33. <http://dc.itamaraty.gov.br/publicacoes/mundo-afora-no-11-educacao-basica-e-ensino-medio> (03 Jan. 2016).
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: 23ff.). Eine Alternative zu diesem dreigliedrigen Schulsystem bietet die Gesamtschule, an der die den erläuterten Schularten entsprechenden drei Abschlüsse erreicht werden können. Darüber hinaus haben sich im Rahmen der Inklusion weitere Schulformen in den unterschiedlichen Bundesländern herausgebildet, wie zum Beispiel die Gemeinschaftsschule, an der die Möglichkeit, das Abitur zu erlangen, jedoch nur selten besteht (Ratzki 2011Ratzki, Anne. Gesamtschule - Gemeinschaftsschule: Aktuelle bildungspolitische Herausforderungen. Vortrag auf der Auftaktveranstaltung zur Kampagne neue Gesamtschulen in Köln vom 26.03.2011. Köln, 2011. <http://www.hf.unikoeln.de/data/gbd/File/Anne%20Ratzki_2011_Gesamtschule_Gemeinschaftsschule.pdf> (22 Apr. 2016).
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: 6ff.). Neben diesem Regelschulsystem verfügt Deutschland über ein differenziertes Förderschulsystem, in dem bis zu acht unterschiedliche Förderschwerpunkte angeboten werden. Je nach Bundesland sind in einigen Förderschwerpunkten keine qualifizierenden Abschlüsse vorgesehen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014Autorengruppe Bildungsberichterstattung. Bildung in Deutschland 2014. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen. Bielefeld, Bertelsmann, 2014.: 92).

Angesichts des hohen Grades an Selektion des deutschen Schulsystems wird der Kontrast zur Idee eines inklusiven Schulsystems recht deutlich. Werning (2014Werning, Rolf. Stichwort: Schulische Inklusion. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17(4), 2014, 601-623.: 605) bringt die Problematik auf den Punkt:

Gerade die Einführung von Inklusion in ein strukturell selektives Schulsystem wie das deutsche führt dabei an vielen Stellen zu Widersprüchen und Antinomien, wenn z. B. Schüler mit dem Förderbedarf Geistige Entwicklung in Gymnasien integriert werden können, aber Real- und Hauptschüler nicht.

Demzufolge ist es in Deutschland nicht nur das differenzierte Förderschulsystem, sondern auch das dreigliedrige Regelschulsystem, das die Umsetzung der Inklusion erschwert.

3 Theoretische und methodologische Grundlagen

3.1 (Kritische) Diskursanalyse

In der knappsten Definition des hier vertretenen Verständnisses von Diskursanalyse ließe sich sicherlich sagen, dass es sich hierbei um eine sprachwissenschaftlich basierte Analyse von größeren, thematisch miteinander verbundenen Textmengen unter Berücksichtigung einer gesellschaftsrelevanten Fragestellung handelt.

Innerhalb der Sprachwissenschaft haben sich seit Ende der 1980er Jahre zahlreiche Spielarten einer solchen Diskursanalyse herausgebildet, wobei sich in Deutschland insbesondere der Zweig der Kritischen Diskursanalyse (KDA) (Fairclough 1995Fairclough, Norman. Critical Discourse Analysis. Boston, Addison Wesley, 1995., Jäger 2004Jäger, Siegfried. Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster, Unrast, 2004., van Dijk 1998Van Dijk, Teun A. Ideology. A multidiscplinary introduction. London, Sage , 1998., Reisigl/Wodak 2001Reisigl, Martin; Wodak, Ruth. Discourse and discrimination: Rhetorics of racism and antisemitism. London/New York, Routledge, 2001.) und der Diskurslinguistik (DL) (Busse 1987Busse, Dietrich. Historische Semantik. Analyse eines Programms. Stuttgart, Klett-Cotta, 1987., Jung 1994Jung, Matthias. Öffentlichkeit und Sprachwandel. Zur Geschichte des Diskurses über die Atomenergie. Opladen, Westdeutscher Verlag 1994., Niehr 1993Niehr, Thomas. Schlagwörter im politisch-kulturellen Kontext. Zum öffentlichen Diskurs in der BRD von 1966 bis 1974. Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 1993., Wengeler 1992Wengeler, Martin. Die Sprache der Aufrüstung. Zur Geschichte der Rüstungsdiskussionen nach 1945. Wiesbaden, Westdeutscher Verlag , 1992.) etablieren konnten. In einer Differenzierung dieser beiden Ausrichtungen charakterisieren Spitzmüller und Warnke (2011: 65ff) erstere als kritisch-machtanalytisch und letztere als epistemologisch-diskurssemantisch, wodurch eine unterschiedliche Fokussierung - einerseits auf die Analyse von Macht und andererseits von Wissen im Diskurs - hervorgehoben wird. Unter Berufung auf Foucault verweisen Spitzmüller und Warnke (2011: 97ff.) jedoch zugleich auf die enge Verwobenheit von Diskurs, Wissen und Macht und betonen weiterhin, dass die beiden Forschungsrichtungen sich nicht diametral gegenüberständen. Auch wenn dieser Aussage in gewisser Weise zuzustimmen ist, so sei dennoch an dieser Stelle darauf verwiesen, dass es sich im Kontrast zur DL bei der KDA in der Regel um interdisziplinäre Forschungsprojekte handelt, sodass beispielsweise historische Kontexte oder Gesellschaftstheorien explizit in die Analyse miteinbezogen werden (Wodak/Meyer 2009Wodak, Ruth; Meyer, Michael (eds.). Methods of Critical Discourse Analysis. London et al., Sage, 2009.).

Im Einklang mit der KDA wird hier von einem dialektischen Verhältnis zwischen Diskurs und Gesellschaft ausgegangen. Das bedeutet, dass der Diskurs ebenso unter dem Einfluss der Gesellschaft steht wie die Gesellschaft unter dem Einfluss des Diskurses (Fairclough/Wodak 1997Fairclough, Norman; Wodak, Ruth. Critical Discourse Analysis. In: Van Dijk, Teun (org.). Discourse as Social Interaction. Discourse studies: A multidisciplinary introduction. Vol. 2. London, Sage, 1997, 258-284.: 258). Zur Erklärung dieser gegenseitigen Einflussnahme führt van Dijk (2003Van Dijk, Teun A. The discourse-knowledge interface. In: Weiss, Gilbert; Wodak, Ruth (eds.). Critical Discourse Analysis. Theory and interdisciplinarity. Houndsmills, Palgrave Macmillan, 2003, 85-109.: 89) den Aspekt der Sozialen Kognition als vermittelnde Instanz zwischen Diskurs und Gesellschaft an. Dem Autor zufolge ist unter Sozialer Kognition ein mentales System zu verstehen, das von den Mitgliedern einer Gemeinschaft geteilt wird. Das System besteht aus unterschiedlichen Sub-Systemen wie Einstellungen, Ideologien, Normen und Werten. Einen besonderen Stellenwert nimmt das Sub-System des Wissens ein, da sich dieses dadurch von den anderen Sub-Systemen unterscheidet, dass es von den Mitgliedern der Gesellschaft als die Wahrheit wahrgenommen wird und somit deren soziale Wirklichkeit konstituiert. Hierbei sind diese sozialen Wahrheiten stets an eine bestimmte Gruppe oder Gesellschaft geknüpft; denn, was von einer Gruppe als Wissen betrachtet wird, kann für eine andere ein bloßer Glaube sein (van Dijk 2002Van Dijk, Teun A. Political discourse and political cognition. In: Chilton, Paul A.; Schäffner, Christina (eds.). Politics as text and talk. Analytical approaches to political discourse. Amsterdam, Benjamins, 2002, 204-236.: 208).

Im Hinblick auf die Auffassung, dass die Instanz der Sozialen Kognition einen bedeutenden Beitrag dazu leistet, die gesellschaftskonstituierende Kraft des Diskurses zu erklären, scheint es kaum verwunderlich, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Ansätze im Rahmen der KDA darauf spezialisiert haben, die Kognitive Linguistik (KL) stärker in ihre Analysen miteinzubeziehen (Castro Zambrano 2015Castro Zambrano, Romana. Diskursanalyse und mentale Prozesse: Sprachliche Strategien zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität bei Hugo Chávez und Evo Morales. Frankfurt, Lang, 2015., Charteris-Black 2004Charteris-Black, Jonathan. Corpus approaches to critical metaphor analysis. Basingstoke, Palgrave Macmillan, 2004., Hart 2010Hart, Christopher. Critical Discourse Analysis and Cognitive Science : New perspectives on immigration discourse. Basingstoke, Palgrave Macmillan , 2010., O'Halloran 2003O'Halloran, Kieran. Critical Discourse Analysis and Language Cognition. Edinburgh, Edinburgh University Press, 2003.). Berücksichtigt werden hierbei verschiedene kognitionslinguistische Ansätze, wie zum Beispiel Frames (Fillmore, 1982Fillmore, Charles. J. Frame Semantics. In: The Linguistic Society of Korea (ed.). Linguistics in the morning calm. Seoul, Hanshin Publishing Company, 1982, 111-137.), Konzeptuelle Metaphern (Lakoff/Johnson 1980Lakoff, George; Johnson, Mark. Metaphors we live by. Chicago/London, University of Chicago Press, 1980.), Mental Spaces (Fauconnier 1994Fauconnier, Gilles. Mental spaces. Aspects of meaning construction in natural language. Cambridge, Cambridge University Press , 1994.) oder die Konzeptuelle Integration (Fauconnier und Turner 2002Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002.), auf die auch in dieser Studie das Augenmerk gerichtet wird.

3.2 Metaphern und Konzeptuelle Integration

Spätestens seit der einflussreichen Theorie der Konzeptuellen Metapher nach Lakoff und Johnson (1980Lakoff, George; Johnson, Mark. Metaphors we live by. Chicago/London, University of Chicago Press, 1980.) werden Metaphern nicht mehr lediglich als rhetorische Mittel oder Stilelemente literarischer Texte erfasst. Die Autoren begründen in ihrer Theorie, dass Metaphern nicht als sprachliche Ausdrücke, sondern als kognitive Phänomene zu verstehen seien, die eine zentrale Funktion bei der Speicherung und Verarbeitung von Informationen übernehmen. Demnach ist menschliches Denken metaphorisch organisiert; metaphorische Ausdrücke, die im alltäglichen Sprachgebrauch zutage treten, sind lediglich ein Oberflächenphänomen, mittels dessen sich die metaphorische Organisation manifestiert. Der Theorie zufolge werden bei dem sogenannten Cross-Domain-Mapping Erfahrungen aus einem bestimmten konzeptuellen Bereich, der Source-Domain, partiell auf einen anderen, die Target-Domain, projiziert. Durch diesen Prozess werden abstrakte Sachverhalte in konkreten Erfahrungen konzeptualisiert, sodass Metaphern zur Komplexitätsreduktion beitragen. Obgleich Lakoff und Johnson in frühen Werken (auch) den kulturellen Einfluss auf das metaphorische Denken bekräftigen, so verschiebt sich der Fokus in späteren Arbeiten auf die Motivierung von Metaphern durch körperliche Erfahrungen (Lakoff/Johnson 1999Lakoff, George; Johnson, Mark. Philosophy in the flesh. The embodied mind and its challenge to Western thought. New York, Basic Books , 1999.).

Während die Theorie der Konzeptuellen Metapher primär darauf ausgerichtet ist, die Strukturierung von Wissen im Langzeitgedächtnis zu beschreiben, konzentrieren sich Fauconnier und Turner (1998Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. Conceptual Integration Networks. In: Cognitive Science 22(2), 1998, 133-187., 2002FAZ.NET. Frankfurt: Frankfurter Allgemeine Zeitung.< http://www.faz.net/> (06 Mai 2016).
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) mit der Theorie der Konzeptuellen Integration (auch: Blending) auf Prozesse des Arbeitsgedächtnisses. Die Autoren gehen davon aus, dass sich während der Kommunikation und beim Denken Mental Spaces bilden, bei denen es sich um kleine, konzeptuelle Räume handelt, die das Verstehen ermöglichen. Diese kurzlebigen Mental Spaces interagieren wiederum mit Strukturen im Langzeitgedächtnis, wodurch sie nicht nur die aus der aktuellen Situation gewonnenen Informationen, sondern auch solche aus bereits gespeichertem Wissen enthalten (Fauconnier/Turner 1998Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. Conceptual Integration Networks. In: Cognitive Science 22(2), 1998, 133-187.).

Ziem (2008Ziem, Alexander. Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen Kompetenz. Berlin, Walter de Gruyter, 2008.) hebt in diesem Kontext die Interaktion von Mental Spaces mit Frames hervor. Unter einem Frame ist nach Fillmore (1982Fillmore, Charles. J. Frame Semantics. In: The Linguistic Society of Korea (ed.). Linguistics in the morning calm. Seoul, Hanshin Publishing Company, 1982, 111-137.: 111) ein System von untereinander in Beziehung stehenden Konzepten zu verstehen. Für das Verständnis eines dieser Konzepte ist Fillmore zufolge die Kenntnis des entsprechenden Frames unentbehrlich. Die Aktivierung eines Frames findet hierbei automatisch statt, wenn eines der zugehörigen Elemente in einem Gespräch oder einem Text erwähnt wird. So wird beispielsweise durch das Wort Panzer automatisch der Krieg-Frame aktiviert und zugleich werden sämtliche zugehörige Elemente kognitiv verfügbar gemacht.

Mental Spaces agieren jedoch nicht nur mit Strukturen aus dem Langzeitgedächtnis, sondern können auch untereinander agieren. Vermengen sich dabei die Informationen zweier (oder mehrerer) Mental Spaces, der Input Spaces, kann hierdurch im Rahmen eines Prozesses Konzeptueller Integration ein weiterer Mental Space mit emergenter Struktur entstehen: der Blended Space. Strukturen, die den beiden Input Spaces gemeinsam sind, werden hingegen mit dem Generic Space symbolisiert.

Im Kontrast zur Konzeptuellen Metaphern-Theorie, nach der das Mapping unidirektional verläuft, gehen nach Fauconnier und Turner (2002Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002.) Informationen beider Input Spaces in den Blended Space ein.1 Hervorzuheben ist, dass die Theorie der Konzeptuellen Integration nicht nur dazu dient, die mentalen Prozesse zu erläutern, die Metaphern zugrunde liegen. So können beispielsweise auch Metonymien oder Kategorisierungen anhand des Modells erklärt werden. Dennoch ist die Theorie bislang insbesondere als alternative Metapherntheorie zum Einsatz gekommen (Ferrari 2014: 125ff.). Auf diese Weise vermag die Theorie das Entstehen neuer Bedeutungen zu erklären (Ferrari 2014Ferrari, Lilian. Introdução à Linguística Cognitiva. São Paulo, Contexto, 2014.: 120). Diese neuen Bedeutungen, die zunächst ausschließlich in den kurzlebigen Blended Spaces vorhanden sind, können sich kognitiv verfestigen, wenn sie wiederholt in dieser Form aufgerufen werden. Mittels dieser kognitiven Verfestigung können sich somit die neuen Strukturen im Langzeitgedächtnis verankern und sich in Frames verwandeln (Fauconnier/Turner 2002Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002.: 103). Da diese neuen Frames wiederum Mental Spaces strukturieren, können emergente Strukturen, die durch Konzeptuelle Integration hervorgerufen werden, auch langfristig Bedeutungen konstituieren (Castro Zambrano 2015Castro Zambrano, Romana. Diskursanalyse und mentale Prozesse: Sprachliche Strategien zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität bei Hugo Chávez und Evo Morales. Frankfurt, Lang, 2015.: 234).

Weiterhin ist im Zusammenhang mit der KDA hervorzuheben, dass die mentalen Prozesse bei allen Kommunikationsbeteiligten ausgelöst werden, also sowohl bei den Emittenten als auch bei den Rezipienten. Angesichts dessen lässt sich mittels der Kognitiven Linguistik nicht nur aufzeigen, wie Wissen, Überzeugungen und Ideologien in diskursiven Konstruktionen reflektiert werden, sondern auch, wie sie (re)produziert werden (Castro Zambrano 2015Castro Zambrano, Romana. Diskursanalyse und mentale Prozesse: Sprachliche Strategien zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität bei Hugo Chávez und Evo Morales. Frankfurt, Lang, 2015.: 124f., Hart 2013Hart, Christopher. Event-construal in press reports of violence in political protests: a cognitive linguistic approach to CDA. In: Journal of Language and Politics, 12(3), 2013, 400-423.: 424f.).

3.3 Methodisches Vorgehen

Bei Diskursanalysen mit großen Korpora handelt es sich zumeist um aufwendige Projekte, die mehrstufige Analyseschritte aufweisen. In den vergangenen Jahren sind unterschiedliche Verfahren für ein systematisches Vorgehen bei der Analyse vorgeschlagen worden (zum Beispiel: Hermanns 2007Hermanns, Fritz. Diskurshermeneutik. In: Warnke, Ingo H. (Hg.). Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie und Gegenstände. Berlin, de Gruyter, 2007, 187-210., Jäger 1999Jäger, Siegfried. Den Königsweg gibt es nicht. Bemerkungen zur Durchführungen von Diskursanalysen. In: Bublitz, Hannelore; Bührmann, Andrea D.; Hanke, Christine; Seier, Andrea (Hg.). Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfurt/Main, Campus, 1999, 136-147., Reisigl 2007Reisigl, Martin. Projektbericht: Der Wiener Ansatz der Kritischen Diskursanalyse. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research 8(2), 2007. <http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0702P75> (06 Jul. 2011).
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), wobei diese jedoch eher als Richtlinien und nicht als starre Anleitungen zu verstehen sind.

Gemeinsam ist den meisten Richtlinien, dass sie zu Beginn der Analyse eine Vorbereitungsphase vorsehen, die mit Aspekten wie der Definition des Themas, der Literaturrecherche oder der Material- bzw. Korpuszusammenstellung eher allgemeine Schritte beinhaltet, die nicht nur für Diskursanalysen, sondern auch für andere Forschungsprojekte sinnvoll sind. Die eigentliche Analyse beginnt mit der "Materialaufbereitung" (Jäger 2004Jäger, Siegfried. Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster, Unrast, 2004., Reisigl 2007Reisigl, Martin. Projektbericht: Der Wiener Ansatz der Kritischen Diskursanalyse. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research 8(2), 2007. <http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0702P75> (06 Jul. 2011).
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) - in den Worten Hermanns (2007Hermanns, Fritz. Diskurshermeneutik. In: Warnke, Ingo H. (Hg.). Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie und Gegenstände. Berlin, de Gruyter, 2007, 187-210.: 196): "Man liest. Und liest. Und liest." Hierbei wird das Korpus bereits in Hinblick auf die Forschungsfrage betrachtet, sodass in der vorliegenden Studie während des ersten Leseprozesses generell auf die Metaphern für Inklusion geachtet wurde. Entsprechende metaphorische Vorkommen wurden nicht nur markiert, sondern auch exzerpiert und thematisch sortiert. In einer weiteren Lektüre wurde bei diesem Verfahren dann insbesondere auf diejenigen thematischen Metaphernfelder geachtet, die auffallend häufig im Korpus angetroffen wurden, wobei im Mediendiskurs zur Inklusion die Kriegs- und Religionsmetaphorik hervorstechen. Im nächsten Schritt wurden schließlich die herausgesuchten Metaphern hinsichtlich ihrer Repräsentativität geordnet. Dieses Vorgehen dient dazu, möglichst typische Fragmente für den Diskurs herauszufiltern, die dann einer Feinanalyse unterzogen werden (Jäger 2004), die sich in dieser Studie an der Theorie der Konzeptuellen Integration orientiert (Fauconnier/Turner 2002Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002.).

In dieser Feinanalyse, deren Ergebnisse im folgenden Kapitel ausführlicher dargestellt werden, werden die Metaphern zunächst in ihrem Kontext präsentiert und sodann unter Bezugnahme des kontextuellen und diskursiven Wissens interpretiert. Eine solche Interpretation entspricht insofern der Theorie der Konzeptuellen Integration, als Fauconnier und Turner (2002Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002.) davon ausgehen, dass neben den Input Spaces sowohl Kontextinformationen als auch gespeicherte Wissensstrukturen Einfluss auf die Ausgestaltung der durch Blending entstehenden Metapher haben.2 2 Obgleich bestimmtes Wissen von den Mitgliedern in Diskursgemeinschaften geteilt wird, ist wohlgemerkt nicht davon auszugehen, dass jedes Mitglied einer solchen Gemeinschaft über exakt den gleichen Wissensvorrat verfügt. Dementsprechend variiert das Verstehen einzelner Metaphern unter anderem in Abhängigkeit von dem Vorwissen der Lesenden. Darüber hinaus werden bei der Analyse die jeweiligen Input Spaces betrachtet und erläutert. Während Fauconnier und Turner (2002)Fauconnier, Gilles; Turner, Mark. The way we think. Conceptual Blendings and the mind's hidden complexities. New York, Basic Books, 2002. zur zusammenfassenden Visualisierung ihrer Analyseergebnisse die oben angeführte schematische Darstellung wählen (Abbildung 1), wird in dieser Studie der Übersichtlichkeit halber auf Tabellen zurückgegriffen.3 3 Eine solche Darstellungsweise orientiert sich an Coulson (2001). Diese umfassen je das entsprechende thematische Metaphernfeld und die zugehörigen, im Korpus aufgefundenen Metaphern. Innerhalb der Tabelle werden nicht nur die jeweiligen Input Spaces, sondern auch ein kontextbezogenes Verständnis des Blended Spaces angegeben.

Abbildung 1
Vereinfachtes Basismodell eines Netzwerks Konzeptueller Integration nach Fauconnier (1997Fauconnier, Gilles. Mappings in thought and language. Cambridge, Cambridge University Press , 1997.: 151)

4 Analyseergebnisse

Zwei besonders dominante metaphorische Bereiche im Mediendiskurs zur Inklusion stellen die Kriegs- und die Religionsmetaphorik dar. Bei der Analyse der Kriegsmetaphorik hat sich gezeigt, dass diese auf zwei unterschiedlichen Ebenen der Inklusion vertreten ist: einerseits auf der konkreten Ebene der Inklusion, auf der das Bemühen von Eltern thematisiert wird, ihre Kinder in einer inklusiven oder speziellen Einrichtung unterrichten zu lassen. Andererseits lässt sich Kriegsmetaphorik aber auch auf einer abstrakteren Ebene des Inklusionsdiskurses ausmachen, wenn Inklusion als (bildungs)politische Alternative fokussiert wird. Ausschließlich auf dieser zweiten Ebene lässt sich darüber hinaus in verstärktem Maße die Verwendung von Religionsmetaphorik konstatieren. Dementsprechend werden die Analyseergebnisse in drei thematischen Sektionen präsentiert.

4.1 Der Krieg um die Inklusion

Wird die Diskussion um Inklusion auf einer abstrakten Ebene betrachtet, zeigt sich, dass die Inklusionsdebatte per se als Krieg konzeptualisiert wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist unter Krieg ein "mit Waffengewalt ausgetragener Konflikt zwischen Staaten, Völkern" beziehungsweise "eine größere militärische Auseinandersetzung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt" (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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) zu verstehen. Der metaphorische Aspekt der Konzeptualisierung besteht somit darin, dass eine überwiegend mittels Sprache ausgetragene Diskussion in Form eines militärischen, mit Waffengewalt ausgetragenen Konfliktes präsentiert wird. In den Medien lässt sich erkennen, dass in diesem Zusammenhang ein semantisches Netz aus unterschiedlichen, der Kriegsterminologie zugehörigen Begriffen gesponnen wird, mittels derer ein Kriegsszenario konstruiert wird. Wie sich dies im deutschen Mediendiskurs gestaltet, wird im Folgenden anhand einiger Beispiele verdeutlicht.

(1) Bei dem Streit4 4 Hervorhebungen in den Zitaten von der Autorin. um die Inklusion geht es darum, ob dieses Prinzip des Aussortierens wirklich falsch ist und das neue Ziel, es eines Tages zu beenden, wirklich richtig. Und darum, wie viel das neue Ziel eigentlich kosten darf. Für beide Sichtweisen gibt es eine Fülle an Beweisen und Begründungen, oft sind es eher Behauptungen und Beschwörungen. Man kann schnell ratlos werden in diesem von Ideologie und Idealismus verminten Feld. (ZEIT ONLINE, 21.03.2013)

In dem ersten Diskursfragment malt sich förmlich ab, wie die Inklusionsdebatte in die Kriegsthematik eingebettet wird. Während zunächst von Streit die Rede ist, wird die Thematik schließlich auf die Kriegsebene geführt, indem die Debatte als ein von Ideologie und Idealismus vermintes Feld determiniert wird. Mittels dieser Metaphorisierung wird darüber hinaus auf eine Gefahr hingewiesen, die darin besteht, auf eine Mine (in Form von Ideologie oder Idealismus) zu treten. Eine ähnliche Einschätzung der Situation findet sich ebenfalls im nächsten Ausschnitt wieder:

(2) Nein, sagt eine Pädagogin, sie sage nichts zum Thema Inklusion, "denn die haben mich auf dem Kieker". "Die", das sind das Kultusministerium und das Schulamt, und "die" wollen aus Sicht einer offenbar nicht kleinen Zahl von Förderschullehrern und Eltern mit aller Gewalt Inklusion durchsetzen. Es soll Schulamtsleiter geben, die sich angeblich nicht mehr trauen, ein Votum für den Besuch der Förderschule abzugeben, weil doch jetzt die Inklusion vom Ministerium erwartet werde. Die Liste der Klagen ließe sich endlos fortsetzen. Doch kein Lehrer kommt aus der Deckung. (FAZ.NET, 22.07.2013)

Zu Beginn des Fragments wird ein Szenario konstruiert, das an einen totalitären Staat erinnert, in dem die freie Meinungsäußerung eingeschränkt ist. So hätten staatliche Institutionen die Pädagogin auf dem Kieker (hier eine Metapher aus dem Bereich der Seefahrt) und sie könne sich daher nicht zur Inklusion äußern. Dieses Szenario wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass diese Institutionen die Inklusion mit aller Gewalt gegen den Willen eines großen Teils der Bevölkerung - somit eine nicht-demokratische Praktik - durchsetzen wollten. Erst im Folgenden wird der Fokus eindeutig auf die Kriegsebene verschoben, indem mit dem Ausdruck aus der Deckung kommen eine Formulierung gewählt wird, die insbesondere beim Militär anzutreffen ist (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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). Obgleich dieses Fragment demzufolge den semantischen Bezug zur Kriegsthematik relativ offen lässt, so ist dennoch - bei Kenntnis des Kontextes des Inklusionsdiskurses - das hiermit einhergehende Aufrufen des Krieg-Frames nicht unwahrscheinlich. Diese offene Interpretationsmöglichkeit ist den Lesenden nicht immer gegeben:

(3) Lässt man die Schule in der Beuthener Straße5 5 Aus dem Zeitungsartikel geht hervor, dass es sich hierbei um eine inklusive Grundschule handelt. hinter sich und begibt sich auf den Marsch durch das Bildungssystem, öffnen sich die Schützengräben der Ideologie. Schnell stößt man auf Frontlinien, wie sie nur der Eifer zieht. (ZEIT ONLINE, 21.03.2013)

In diesem Fragment ist es zunächst der Marsch, der unter anderem dem Militärjargon entstammt, wobei der direkte Kontext hier anschaulich den Krieg-Frame hervorruft, denn so stoßen die Lesenden im gleichen Satz auf den Begriff Schützengräben, der eindeutig dem Bereich Krieg zuzuordnen ist. Wer sich demzufolge mit dem Bildungssystem befasst (Marsch), stößt darauf, dass die Inklusionsbefürworter und -gegner ihre Überzeugungen voranstellen, hinter denen sie nicht hervorkommen (Schützengräben). Demgemäß entstehen unvereinbare Gegensätze (Frontlinien), die - wie das folgende Beispiel zeigt - in Grundsatzgefechten münden:

(4) Aktuell wird aufgeregt über Inklusion debattiert. Und mit der Forderung nach Chancengleichheit entstehen Grundsatzgefechte über Bildung und Kapitalismus. (ZEIT ONLINE, 15.07.2015)

Die im Rahmen der Inklusionsdebatte entstehenden Diskussionen werden in diesem Fragment Grundsätzen in Bezug auf Bildung und Kapitalismus zugeordnet. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass Gefechte als "kurzer, bewaffneter Zusammenstoß feindlicher militärischer Einheiten, Auseinandersetzung von kürzerer Dauer zwischen bewaffneten Gruppen" (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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) und somit als ein Bestandteil eines Krieges aufzufassen sind. Hinsichtlich des Kompositums Grundsatzgefecht ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine sogenannte Kompositummetapher (Skirl 2010Skirl, Helge. Kompositummetaphern - semantische Innovation und textpragmatische Funktion. In: metaphorik.de, 19, 2010, 23-45. <http://www.metaphorik.de/de/journal/19/metaphorikde-192010.html> (28 Mai 2016).
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) handelt, bei der nur der zweite Wortteil (Determinatum) metaphorisch gebraucht wird, also in diesem Fall eine verbal ausgetragene Debatte um einen Grundsatz als Gefecht konzeptualisiert wird. Mit einem ähnlichen Wort, Verfechter, wird im folgenden Ausschnitt das Austragen des Konflikts auf der Straße beschrieben:

(5) Derweil gehen in Hessen ausgerechnet die Verfechter des gemeinsamen Unterrichts auf die Straße - und das, obwohl die Inklusion im neuen hessischen Schulgesetz verankert ist. (FAZ.NET, 05.05.2012)

Das letzte Fragment dieser Sektion thematisiert die Inklusionsdebatte in anderer Weise, indem das Kriegsvokabular des Diskurses aufgegriffen und kritisiert wird:

(6) Laut sagt das niemand. Lieber zählt man die Milliarden auf, die für eine gelungene Inklusion angeblich benötigt würden, oder zeichnet Horrorszenarien einer "totalen Inklusion". Doch weder rollen gerade Heerscharen von körperbehinderten Jugendlichen auf die Schulen zu, noch kommen allerorten Lehrkräfte nicht mehr zum normalen Unterrichten, weil blinde, lernbehinderte und verhaltensgestörte Schüler den Betrieb lähmen. (ZEIT ONLINE, 27.03.2014)

Hinsichtlich des im Diskurs häufiger vorkommenden Ausdrucks "totale Inklusion" ist festzuhalten, dass dieser durchaus im Sinne der Assoziierung mit einem totalitären System verstanden werden kann, wie Wocken (2012) in seiner Kritik ausführlich darstellt. Angesichts des Fortgangs des vorliegenden Diskursfragments, das mittels der Heerscharen zweifellos der Kriegsmetaphorik zugehörig ist, legt jedoch eine kontextabhängige Interpretation ein weiteres Verständnis nahe: die totale Inklusion als Parallele zu der totale Krieg. Nach Kegel (2006Kegel, Jens. "Wollt ihr den totalen Krieg?: eine semiotische und linguistische Gesamtanalyse der Rede Goebbels' im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943. Tübingen, Niemeyer, 2006.: 181ff.) bezieht sich der bereits für das Jahr 1815 nachgewiesene und durch Goebbels im Nationalsozialismus bekannt gewordene Begriff auf den Einbezug und die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft auf den Krieg und dessen Ziele. Sicherlich kann behauptet werden, dass dem Begriff eine enorm negative Konnotation anhaftet. Verschärft wird diese durch die Horrorszenarien, die in diesem Rahmen den negativen, angstauslösenden Aspekt der "totalen Inklusion" hervorheben. Jedoch ist es keineswegs dieses Bild, was das Beispiel von der Inklusion zeichnet, vielmehr thematisiert und kritisiert es diesen Tenor im Diskurs. Dies verdeutlichen auch die Anführungszeichen bei totale Inklusion, durch die eine Distanzierung ausgedrückt wird (Volkmann 2005Volkmann, Gesina. Weltsicht und Sprache. Epistemische Relativierung am Beispiel des Spanischen. Tübingen, Narr, 2005.: 222ff.). Weiterhin wird in dem Text negiert, dass die Auswirkungen der Inklusion deutlich spürbar wären, wobei die Kriegsmetapher der Heerscharen aufgegriffen wird. Somit wird der Inklusionsdiskurs mitsamt seiner Kriegsterminologie ad absurdum geführt.

Bei der Gesamtbetrachtung dieser Sektion ergibt sich ein diskursives Konstrukt, das im Folgenden tabellarisch dargestellt wird. Anzumerken ist hierbei, dass es sich bei dem Wort Inklusionsdebatte um ein Kompositum handelt, das sich aus zwei Bereichen zusammensetzt und ebenfalls ein Produkt eines Prozesses Konzeptueller Integration darstellt (Coulson 2001Coulson, Seana. Semantic Leaps. Frame shifting and conceptual blending in meaning construction. Cambridge, Cambridge University Press, 2001.: 126ff.). Infolgedessen sind in den analysierten Diskursfragmenten sowohl Blendings zu verzeichnen, die sich eher auf den Bereich Inklusion oder eher auf den Bereich Debatte beziehen. Die in der Spalte zu den Blended Spaces aufgezeigten Konzeptualisierungen resultieren aus den kontextbezogenen Interpretationsprozessen.

Tabelle 1
Inklusionsdebatte als Krieg (Tabelle erstellt von der Autorin)

Die Tabelle verdeutlicht das Konstrukt der Inklusionsdebatte als Krieg, das mittels unterschiedlicher zugehöriger Begriffe erzeugt wird. Wird die Debatte hinsichtlich der Frage betrachtet, welche Funktion die Inklusion in diesem diskursiven Kontext übernimmt, so lässt sich feststellen, dass Inklusion als Kriegsgrund bestimmt wird.

4.2 Inklusion als Religion

Innerhalb der Mediendebatte zur Inklusion wird diese nicht nur als Kriegsgrund, sondern auch als Glaube im Sinne einer Religion konzeptualisiert. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist unter Glaube Folgendes zu verstehen:

  1. gefühlsmäßige, nicht von Beweisen, Fakten o. Ä. bestimmte unbedingte Gewissheit, Überzeugung

  2. a. religiöse Überzeugung

  3. b. Religion, Bekenntnis (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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    )

Im untersuchten Korpus lässt sich zur genannten Thematik eine äußerst facettenreiche Konzeptualisierung ausmachen, wobei die simultane Verbindung der drei Bereiche Krieg - Glaube - Inklusion nicht selten ist:

(7) Sie sprechen ein heikles Thema an - unter dem Stichwort Inklusion werden nämlich auch Glaubenskämpfe ausgetragen, mit teilweise harten Bandagen. (ZEIT ONLINE, 08.07.2014)

Durch den Begriff Glaubenskampf werden zwei Themenbereiche zusammengeführt, deren Relation als kausal anzusehen ist, da der Glaube (Inklusion) in diesem Kontext den Grund für den Kampf repräsentiert. Dem Duden zufolge ist unter Kampf in erster Linie eine "größere militärische Auseinandersetzung feindlicher Truppen" (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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) zu verstehen, wodurch sich der Kampf in diesem Sinne als einzelne Handlung innerhalb eines Krieges einordnen lässt. Dieses Verhältnis lässt sich in gleicher Weise auf die Metaphorik übertragen, sodass die Kampfmetaphorik als eine Subkategorie der Kriegsmetaphorik betrachtet werden kann.6 6 Die Thematik Streit ist Krieg (argument is war) und Streit ist Kampf (argument is fight) wird bereits bei Lakoff und Johnson (1980: 83ff.) thematisiert. Diese erläutern, dass in Abhängigkeit von dem jeweiligen Konzept, das eine Person von Streit beziehungsweise von Kampf hat, die beiden Begriffe sowohl im Verhältnis einer Metapher als auch einer Subkategorisierung zueinander stehen können. Der Übergang zwischen Metapher und Subkategorisierung sei somit fließend. Bei Streit ist Krieg sei hingegen eindeutig ein metaphorisches Verhältnis zu konstatieren. Da in der vorliegenden Studie im Kontrast zu einzelnen Metaphern diskursive Metaphorisierungen analysiert werden, die sich repetitiv im Diskurs in unterschiedlichen Texten manifestieren, wird davon ausgegangen, dass insbesondere bei allgemeiner Kenntnis der medialen Inklusionsdebatte das Evozieren des Krieg-Frames durch den Begriff Kampf in diesem Kontext nicht unwahrscheinlich ist. Mittels der harten Bandagen wird in dem Fragment außerdem der Aspekt der Gewalttätigkeit des Kampfes angezeigt. Hierbei lassen sich die Bandagen nicht nur mit einem Boxkampf in Verbindung bringen, sondern ebenfalls der Kriegsmetaphorik zuordnen, da Sport generell als eine Form des Krieges konzeptualisiert wird (Baldauf 1997Baldauf, Christa. Metapher und Kognition. Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher. Frankfurt a. M., Peter Lang, 1997.: 228f.). Die Komponente des Glaubens verweist des Weiteren darauf, dass der Debatte um die Inklusion weniger wissenschaftlich begründete Ansichten als Überzeugungen zugrunde liegen. Deutlicher wird dies noch in dem nächsten Textausschnitt:

(8) In der Hochburg des Inklusionskampfs

Ein frischer Mut weht durch die Debatte, das Bewusstsein, eine neue Zivilisationsstufe zu erklimmen: Die pädagogischen Vorkämpfer sprechen von der eschatologisch erwarteten Inklusion als einem "Grenzstein zum Übergang in eine neue Welt" (Walther Dreher), nennen deren Prämissen "naturgegeben" (Andrea Platte) und formulieren Glaubenssätze wie diesen: "Inklusion ist die ultimative Integration, sozusagen der Olymp der Entwicklung, danach kommt nichts mehr" (Hans Wocken). (FAZ.NET, 10.06.2014)

In diesem Fragment ist es neben der Kompositummetapher Inklusionskampf und dem Begriff Vorkämpfern auch die Hochburg - sofern deren ursprüngliche Bedeutung in vergangenen Zeiten berücksichtigt wird -, mittels derer die Inklusionsdebatte als Krieg konzeptualisiert wird.7 7 Im Fortlauf des Artikels werden die Treffen einer Arbeitsgemeinschaft für Inklusion als Hochburg betitelt. Die Inklusion als Religion zeigt sich hingegen in den Begriffen eschatologisch und Glaubenssätze. Angesichts der ironischen Manier, in der der Text verfasst ist, und der Auswahl esoterisch anmutender Zitate wird ein Bild von der Inklusion konstruiert, das diese als einen kaum plausiblen Glauben erscheinen lässt. Auch im folgenden Ausschnitt manifestiert sich dieses Konstrukt:

(9) Immer mehr zeigt sich der utopische, weltfremde Charakter einer Heilsidee, die über keinen positiven Begriff von Ungleichheit verfügt. Als ergäbe sich aus der Gleichheit vor dem Gesetz (oder vor Gott) die Notwendigkeit, jedweden empirischen Unterschied zu ignorieren. (FAZ.NET, 21.07.2014)

Die Wertung der Inklusion geht in diesem Diskursfragment mit der Metaphorisierung einher, indem die Inklusion in Form einer Heilsidee konzeptualisiert wird, die empirische Unterschiede ignoriere. Auf diese Weise wird ein Kontrast zwischen wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit und weltfremder Ideen aufgebaut, der der Inklusion jegliche Glaubwürdigkeit abspricht. Hinzuweisen ist ebenfalls auf die Relation zwischen Gott und Gesetz, die hier aufgebaut wird und durch die die Gleichheit vor dem Gesetz einen besonderen Charakter erhält. Andererseits wird dies hier jedoch der Perspektive der Inklusionsbefürworter zugeschrieben und ironisch präsentiert. An einer weiteren Stelle des Artikels führt der Text diese Art der Metaphorisierung fort, wobei dieses Mal das Verwenden der Religionsmetaphorik einem Vertreter der Inklusion selbst zugeschrieben wird.

(10) Schniersmeier erinnert auf dem Podium eher an einen amerikanischen Fernsehprediger, der seine Gemeinde zur Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden aufruft (Inklusion als Paradiesmetapher). (FAZ.NET, 21.07.2014)

Interessant ist in dieser Passage der metasprachliche Verweis darauf, dass der Inklusionsbefürworter (Fernsehprediger) die Inklusion mit dem Paradies bzw. dem Reich Gottes auf Erden gleichsetze. Die Paradiesmetapher findet sich aber auch in weniger negativ anmutenden Formulierungen:

(11) Das kostet Geld - aber längst nicht so viel, wie Befürworter und Gegner der Inklusion in seltsamer Eintracht behaupten. Die einen möchten das pädagogische Paradies verwirklichen. Die anderen wollen nichts verändern und legen daher die Latte der Forderungen so hoch, dass jeder Schulpolitiker daran scheitern muss. (ZEIT ONLINE, 27.03.2014)

Während in diesem Fragment zwar die Inklusion als Paradies nicht ironisiert wird, so wird dennoch deren Realisierbarkeit zur Diskussion gestellt. Dieser Aspekt wird auch in der folgenden Passage aufgegriffen:

(12) Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Neuerdings ist ja nur noch von Inklusion die Rede - und unter diesem Banner tummeln sich nicht nur die genannten Realisten, sondern auch Fanatiker. Die möchten zukünftig alle Kinder nur noch gemeinsam unterrichtet wissen - auch bei stärkster Einschränkung von Arbeitshaltung und Leistungsfähigkeit. Man schwärmt von einem goldenen Zeitalter der Pädagogik: Jedes Kind könne dann von den jeweiligen Fähigkeiten der anderen profitieren, keiner werde mehr durch schlechte Noten und persönliche Defizite beschämt, statt objektiver Leistungen würden nur noch individuelle Lernfortschritte bewertet. Klingt paradiesisch [...]. (ZEIT ONLINE, 08.07.2014)

Das Irreale der Inklusion wird hier einerseits durch den Konjunktiv und andererseits den Kontrast zwischen Realisten und Fanatikern erzeugt. In diesem Zusammenhang lässt sich auf die typische Kollokation religiöse Fanatiker hinweisen. Diese kontextbedingte Interpretation wird sowohl durch die Religionsmetaphorik im gesamten Diskurs als auch - nicht zuletzt - durch die Charakterisierung als paradiesisch favorisiert. Zu betonen ist demgemäß, dass dieses Paradies hier nicht reell in Aussicht gestellt wird, sondern dem Textausschnitt zufolge dem Gedanken eines religiösen Fanatismus entspringt. Ein verwandtes Bild wird auch durch die Konzeptualisierung der Inklusionsbefürworter als Dogmatiker erzeugt:

(13) Vielfalt bedeutet, das Individuelle zuzulassen, statt es per Etikettenschwindel abzuschaffen. Was inklusive Dogmatiker wie Frau Allmendinger nicht sehen wollen, sind die Grenzen der Gemeinschaft: Wünschen hilft nicht immer weiter. (FAZ.NET, 21.07.2014)

Durch den Begriff Dogmatiker werden nicht nur die Inklusionsbefürworter, sondern implizit auch die Inklusion charakterisiert, die hierdurch als Dogma erscheint. Der Inklusion wird somit die Eigenschaft verliehen, eine "verbindliche, normative Glaubensaussage zu sein" (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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), die als nicht hinterfragbar und wissenschaftlich unüberprüfbar gilt. In dem Diskurs wird darüber hinaus vor den Gefahren bei der Umsetzung inklusiver Bildung gewarnt, indem die Gemeinschaftsschule als ein Himmelfahrtskommando klassifiziert wird.

(14) Die Gemeinschaftsschule gehört also zu den bildungspolitischen Himmelfahrtskommandos, die überstürzt eingeführt wurden. (FAZ.NET, 16.08.2015)

Bei Himmelfahrtskommando handelt es sich bereits um eine Metapher, bei der ein Begriff des christlichen Glaubens auf die Sphäre des Militärs trifft.8 8 Aus Sicht der Metaphernforschung handelt es sich bei Himmelfahrtskommando in diesem Kontext um ein besonderes Phänomen. Während die ursprüngliche Metapher aus dem militärischen Bereich (nach dem Verständnis von Skirl 2010) eine Kompositummetapher darstellt, da nur ein Bestandteil (Determinans) eine metaphorische Bedeutung aufweist, erhalten durch die Verwendung im Zusammenhang mit der Inklusionsdebatte beide Bestandteile eine metaphorische Bedeutung. Auf diese Weise wird eine neue Bedeutung geriert, wodurch sich die Metapher auf militärische Projekte - meist zu Kriegszeiten - bezieht, die "mit großer Wahrscheinlichkeit dem Teilnehmenden das Leben kostet" (Dudenredaktion 2016Dudenredaktion. Duden online. Berlin, Bibliographisches Institut, 2016. <http://www.duden.de/> (16 Mai 2016).
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). Im christlichen Glauben ist die Himmelfahrt nur wenigen Heiligen vorbehalten, wie beispielsweise Jesus Christus, der hiermit seinen Platz an der Seite Gottes erhält, womit das Ereignis keineswegs negativ konnotiert ist, sondern Freude hervorruft (Klein 2011Klein, Hans. Himmelfahrt Jesu Christi. In: Deutsche Bibelgesellschaft (Hg.). WiBiLex - Wissenschaftliches Bibellexikon. Stuttgart, 2011. <https://www.bibelwissenschaft.de/de/stichwort/46900/> (28 Mai 2016).
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). Als Kriegsmetapher ist diese positive Konnotation jedoch allenfalls darin enthalten, dass sich die Ausführenden für einen guten Zweck, sozusagen eine heilige Kriegsmission, opfern. In dem obigen Textausschnitt wird mittels Konzeptueller Integration diese Metapher auf die Gemeinschaftsschule projiziert, wodurch wiederum eine neue Bedeutung geschaffen wird: die Gemeinschaftsschule als ein bildungspolitisches Projekt, das Opfer unter den Teilnehmenden fordern wird. Im Kontext der Bildung werden die Opfer der Gemeinschaftsschule zwar kaum als Todesopfer konzeptualisiert, dennoch legt die Metaphorik durch das Aufrufen des entsprechenden Frames nahe, dass die Gemeinschaftsschule enorm negative Auswirkungen auf das Leben der Beteiligten hat.

Tabelle 2
Inklusion als Religion und Inklusionsdebatte als Krieg (Tabelle erstellt von der Autorin)

Wie sich anhand der Tabelle ablesen lässt, ist die Konzeptualisierung der Inklusion als Religion als eine diskursive Konstruktion aufzufassen, die sich in zahlreichen miteinander semantisch verwandten Begriffen niederschlägt. Darüber hinaus hat sich in der Analyse der Fragmente eine auffällige Verwobenheit mit dem Konstrukt der Inklusionsdebatte als Krieg offenbart. Insbesondere in der Kompositummetapher Himmelfahrtskommando, in der die religiöse Komponente bereits in dem aus dem Bereich des Kriegs stammenden Ausdruck vorhanden ist, zeigt sich eine im Diskurs kaum auflösbare Verquickung. Bei Betrachtung dieses Gesamtzusammenhangs wird deutlich, dass die Konzeptualisierung der Inklusion als Religion in diesem Kontext zwei diskursiven Strategien zuzuordnen ist: Zum einen wird der Inklusion durch die Religionsmetaphorik jegliche wissenschaftliche Belegbarkeit abgesprochen, wodurch diese lediglich als eine Überzeugung einiger Befürworter erscheint und zu einer abwegigen Idee degradiert wird. Zum anderen erscheint die Religion im Rahmen der Kriegsmetaphorik somit als der Kriegsgrund, wodurch die Debatte als ein von Fanatikern ausgelöster Streit präsentiert wird, die ihre Überzeugungen auf nicht nachweisbaren Behauptungen basieren.

4.3 Der Kampf für die Kinder im Krieg um die Inklusion

Im Bereich der konkreten Ebene der Inklusion, unter der in dieser Studie diejenigen Fälle gefasst werden, in denen konkrete Versuche thematisiert werden, das Recht auf eine bestimmte Schulform für das eigene Kind durchzusetzen, zeigt sich, dass dabei innerhalb der Kriegsmetaphorik der Begriff Kampf dominiert. In den Beispielen dieser thematischen Sektion werden zunächst Ausschnitte aus zwei Einzelschicksalen aufgezeigt, die innerhalb der Inklusionsdebatte in den deutschen Medien viel diskutiert wurden. Das Besondere an Einzelschicksalen ist, dass Menschen insbesondere bei mangelnder Kenntnis weiterer Schicksale dazu neigen, die Einzelfälle zu verallgemeinern. Lakoff (1987Lakoff, George. Women, fire, and dangerous things. What categories reveal about the mind. Chicago, Chicago University Press, 1987.: 89) spricht in diesem Zusammenhang von dem Prototypen-Effekt des "Salient Examples".

Das erste hier aufgegriffene Einzelschicksal handelt von einem Jungen namens Henri mit dem Down-Syndrom, dessen Eltern sich dafür eingesetzt hatten, dass er zusammen mit seinen Freunden ein Gymnasium besuchen dürfe. Die Bitte der Eltern wurde jedoch abgelehnt. Nachdem bereits dieses Bestreben in der Presse kontrovers diskutiert worden war, versuchten die Eltern anschließend, das Kind an einer Realschule anzumelden.

(15) Auch die Realschule wollte den elfjährigen Henri nicht aufnehmen. Nun gehen seine Eltern auf die Barrikaden, sprechen von "Diskriminierung". (BILD.de, 18.05.2014)

Durch den Begriff Barrikaden wird der Kampf hier bildlich in Form eines protesthaften Straßenkampfes konzeptualisiert. Bemerkenswert ist, dass in diesem Zusammenhang der Hinweis der Eltern auf Diskriminierung genannt wird, da der Kampf somit als eine Protestaktion gegen den Verstoß geltenden Rechts auf die Nicht-Diskriminierung dargestellt wird. Auch in Bezug auf die Intensität des Kampfes lassen sich in den Medien Aussagen finden:

(16) Der Kampf um die schulische Zukunft ihres behinderten Sohns Henri ging an manchen Tagen an ihre Substanz. Doch Kirsten Ehrhardt ließ sich nicht entmutigen. Sie wollte, dass er trotz seines Down-Syndroms ein Gymnasium oder eine Realschule besucht, gemeinsam mit seinen Grundschulfreunden. Die gesamte Republik diskutierte mit. (SZ.de, 18.05.2015)

Der Kampf wird in diesem Ausschnitt als unerbittlich charakterisiert, hat er doch der Mutter einiges abverlangt. Diese wird hingegen parallel hierzu als nicht zu entmutigende Kämpferin konzeptualisiert, die - obgleich der Kampf an ihre Substanz ging - nicht aufgab und - wie das folgende Diskursfragment zeigt - darüber hinaus auch ihren Sohn während des Kampfes schützte.

(17) Henri ist zu einem Symbol geworden, das weltweit Beachtung findet. Ist er inzwischen eine Galionsfigur Ihres eigenen Kampfes? Stellen Sie ihn aus? Nein, wir schützen ihn sehr stark. Es gab viele Jahre keine Berichte oder Reportagen aus seiner Klasse. Erst mit einem konkreten Anliegen sind wir an die Öffentlichkeit gegangen. [...] Henri bekommt davon allerdings relativ wenig mit, da er in einen engen Freundes- und Familienkreis eingewoben ist, der ihn schützt. (SZ.de, 03.06.2015)

In dem Interview schlägt die Zeitung die Konzeptualisierung Henris als Galionsfigur (eine Metapher aus dem Bereich der Seefahrt) des Kampfes der Mutter für Inklusion vor - eine Vorstellung, der mittels eines Gegenkonzepts widersprochen wird. Henri - oder im weiteren Sinne: die Kinder mit besonderem Förderbedarf - stehen somit zwar im Zentrum der Diskussion, werden jedoch vor den Auswirkungen des Kampfes geschützt. Der Kampf erscheint in diesem Sinne außerdem als ein Solidaritätskampf, aus dem die Betroffenen herausgehalten und vor dessen negativen Auswirkungen sie geschützt werden.

Aber es ist nicht nur das Bemühen der Eltern für eine inklusive Schulbildung, sondern auch das gegenteilige Bestreben, das in den Medien als Kampf dargestellt wird: der Kampf um die Beschulung in einer Förderschule. Allerdings ist auch für diese Thematik festzustellen, dass die Inklusion hierbei eine zentrale Rolle spielt, da erst mit dem Aufkommen inklusiver Schulen das Zuweisen zu Förderschulen nicht mehr die Regel ist. Ein Fall, der diesbezüglich in den Medien für Aufruhr sorgte, thematisiert den Kampf der Eltern eines Jungen mit dem Asperger-Syndrom, der in einer speziellen Klasse für Autisten beschult werden möchte.

(18) Jetzt ziehen die Eltern von Sebastian R. (14) vor das Bundesverfassungsgericht! Sie fordern Gerechtigkeit und sind bereit, im Kampf gegen die Schulbehörde alles zu geben, was ihnen nach Monaten des Rechtsstreits geblieben ist. (BILD.de, 31.07.2014)

Hervorzuheben ist in diesem Diskursfragment die Steigerung von dem Rechtsstreit, also einer verbalen Auseinandersetzung, zu einem vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragenen Kampf gegen die Schulbehörde, in dem die Eltern jegliche Anstrengung auf sich nehmen.

(19) Familie R. sieht sich im Krieg mit einer finsteren Macht. Mehr als 10.000 Euro hat sie im vergangenen Jahr für Anwälte und Gerichtskosten ausgegeben. Hätte sie die neue Schule nicht wenigstens einmal ausprobieren sollen? Auf solche Fragen reagiert sie mit immer neuen Vorwürfen. Alles Vertrauen ist zerstört. (ZEIT ONLINE, 15.04.2015)

Bei der Betrachtung dieses Fragments ist hervorzuheben, dass nicht der Artikel selbst das Bestreben der Eltern als Krieg mit einer finsteren Macht konzeptualisiert, sondern dass diese Konzeptualisierung der Wahrnehmung der Eltern zugeschrieben wird. Allerdings muss aus der Perspektive der Kognitiven Linguistik hervorgehoben werden, dass der Krieg-Frame dennoch bei den Leserinnen und Lesern automatisch hervorgerufen wird und durch die konzeptuelle Integration hier in Beziehung zur Inklusion gesetzt wird. Ähnliches lässt sich auch für die finstere Macht konstatieren, die hier die Schulbehörde repräsentiert. Des Weiteren wird innerhalb dieser Metaphorik eine Folge des Krieges determiniert: die Zerstörung des Vertrauens.

Obgleich in der Presse hinsichtlich der beschriebenen Thematik die Präsentation von Einzelschicksalen überwiegt, werden die großen Kämpfe von der Presse jedoch auch summierend betrachtet:

(20) Wollen Eltern diese Aussonderung nicht mitmachen, müssen sie große Kämpfe ausfechten. (ZEIT ONLINE, 21.03.2013)

Neben dem Wort Kampf wird in dem Fragment außerdem das Wort ausfechten verwendet, das mit einer tätlichen, unter dem Einsatz von Waffengewalt geführten Auseinandersetzung assoziiert wird.

Im folgenden Ausschnitt werden anhand eines weiteren Einzelschicksals die Gegner des Kampfes identifiziert:

(21) Der Weg der Integration9 9 Die Begriffe Integration und Inklusion werden meist voneinander abgegrenzt, zum Teil aber auch synonym verwendet. So ist beispielsweise auch der englische Begriff inclusion der UN-Konvention in der deutschen Übersetzung mit Integration wiedergegeben. Erst in einer sogenannten Schattenübersetzung wird der Begriff Inklusion verwendet (Deutschland 2014). , also die Eingliederung Behinderter in die Mehrheitsgesellschaft, erwies sich für Franziskas Mutter als Kampf. Mittelschichtseltern, die um die Gymnasialempfehlung ihrer Schulanfänger fürchteten, fragten: Bleibt da genügend Zeit für unsere Kinder? Der Schularzt unterstellte: Wollen Sie die Grenzen Ihres Kindes nicht sehen? Die stundenweise abgeordnete Förderlehrerin säuselte: Wie viel besser könnte ich Ihr Mädchen doch an unserer Sonderschule fördern! (FAZ.NET, 05.05.2012)

In diesem Fragment wird der Kampf einer einzelnen Person gegen unterschiedliche Gegner porträtiert: die Mittelschichtseltern, die im Vergleich zu einer einzelnen Mutter in der Überzahl sind, sowie der Schularzt oder die Förderlehrerin, die einen Expertenstatus aufweisen. Angesichts dieser übermächtigen Gegner wird zugleich die Dimension des Kampfes demonstriert. Dass diese Bemühungen nicht mit der Aufnahme auf eine Regelschule erfolgreich zum Abschluss gebracht werden, zeigt das folgende Diskursfragment, in dem auf den Begriff Krieg zurückgegriffen wird:

(22) "[...] Die wenigen Kinder, die überhaupt integrativ beschult werden, erhalten meist eine völlig unzureichende Unterstützung." Wer für sein Kind Hilfe durch Schulassistenten oder Förderpädagogen in Anspruch nehmen wolle, "der muss einen regelrechten Krieg führen und notfalls bereit sein, sich durch alle Instanzen zu klagen". (ZEIT ONLINE, 20.01.2011)

In diesem Beispiel wird nicht das Bestreben der Eltern hinsichtlich der Aufnahme ihres Kindes auf eine Regelschule als Krieg konzeptualisiert, vielmehr macht der Artikel darauf aufmerksam, dass das Ziel der qualitativen Bildung nur mit dem Besuch einer Regelschule noch nicht erreicht ist. Krieg bezieht sich auf die Prozesse bei der Beantragung individueller Förderung, die somit hier als schwierig gekennzeichnet werden. Der Höhepunkt des Krieges wird als die rechtliche Klage durch alle Instanzen bestimmt. Doch selbst eine erfolgreiche schulische Inklusion ist noch kein Erfolgsgarant für das künftige Leben:

(23) Wie sehr Ziel, Weg und Wirklichkeit tatsächlich auseinanderdriften, macht Carina Kühne klar: Obwohl sie gemeinsam mit ihrer Mutter erfolgreich dafür kämpfte, eine Regelschule zu besuchen, und als Klassenbeste in Englisch ihren Hauptschulabschluss gemacht hat, fand die junge Frau keinen Ausbildungsplatz. (SZ.de, 19.05.2014)

Das Beispiel konzeptualisiert die Bemühungen um die Inklusion auf diese Weise als einen sinnlosen Kampf, indem an einem Einzelfall demonstriert wird, dass Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen trotz inklusiver Schulbildung auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum Chancen hätten.

In Bezug auf die Diskussion auf der konkreten Ebene der Inklusion wird deutlich, dass hier im Kern die Durchsetzung des Rechts auf Inklusion beziehungsweise auf gute Schulbildung thematisiert wird. In diesem Sinne entspringen Teile der Konzeptualisierung dem Bereich des Rechts, die mit Aspekten aus dem Bereich des Kriegs zusammengeführt werden.

Tabelle 3
Durchsetzung des Rechts auf qualitative Schulbildung/Inklusion als Kampf (Tabelle erstellt von der Autorin)

Hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Tabelle fällt auf, dass die beiden Input Spaces und die daraus folgende Konzeptualisierung prinzipiell im Widerspruch zueinander stehen. Denn so sollte die Inanspruchnahme eines staatlich garantierten Rechts innerhalb des staatlichen Schulsystems selbstverständlich sein. In den Medien zeigt sich jedoch das Gegenteil. Hierbei wird die Inklusion sowohl als erstrebenswert als auch als nicht erstrebenswert charakterisiert, wobei die Uneinigkeit in den Medien somit die Debatte um Inklusion auf der abstrakten Ebene widerspiegelt.

5 Abschließende Bemerkungen

In der Analyse wird deutlich, dass in der Mediendebatte zwei unterschiedliche Aspekte der Inklusion thematisiert werden. Einerseits wird auf der abstrakten Ebene das Konzept der Inklusion an sich diskutiert. Festzustellen ist, dass die Debatte offenbar solche Ausmaße angenommen hat, dass sie von den Medien als Krieg konzeptualisiert wird. Diese metaphorische Konstruktion ist nicht nur als eine dramatisierende Darstellung im Sinne einer Übertreibung aufzufassen: Darüber hinaus sind es negative Konnotationen, die von dem Begriff des Krieges auf die Debatte projiziert werden. Nicht zuletzt spielt auch die emotionale Komponente mit ein, denn so ist Krieg ein Konzept, das zweifellos bei einem Großteil der Rezipienten ein Gefühl von Angst auslöst. Hinzu kommt hierbei die Betonung des Aspekts der Irrationalität, mit der dieser Krieg geführt wird, denn als Basis der Debatte werden nicht etwa die Rechte von Menschen mit Behinderungen präsentiert, vielmehr fokussiert der Diskurs die Ideologiegebundenheit der Diskussion. Akzentuiert wird dieser Gesichtspunkt noch dadurch, dass das Konzept der Religion in den Diskurs eingeführt wird. Während im Kontext des konstruierten Kriegsszenarios die Inklusion als Kriegsgrund konzeptualisiert wird, so lässt sich dieser nun genauer bestimmen: als ein Glaube ohne wissenschaftliches Fundament. Verstärkend kommt hinzu, dass von Fanatismus, Dogmatikern oder - in ironischer Manier - von dem Paradies der Inklusion die Rede ist. Auf diese Weise wird die Inklusion als ein absurder Glaube konzeptualisiert, dem zudem Fanatiker angehören. Letzterer Gesichtspunkt ist im heutigen Europa zu Zeiten von scheinbar religiös motivierten Terroranschlägen von nicht zu unterschätzender Bedeutung in Anbetracht der Tatsache, dass auf diese Weise das durch die Kriegsmetaphorik hervorgerufene Gefühl der Angst intensiviert wird.

Angst wird ebenfalls durch den Mediendiskurs auf konkreter Ebene hervorgerufen. In diesem Bereich wird die Inanspruchnahme des Rechts auf qualitative Bildung beziehungsweise auf Inklusion zumeist als Kampf und somit als eine dem Krieg untergeordnete Handlung konzeptualisiert. In diesem Sinne zeigt sich ein offener Widerspruch, denn die Inanspruchnahme eines Rechts sollte prinzipiell eine Selbstverständlichkeit sein. Die Konzeptualisierung der Bemühung um die Inanspruchnahme eines Rechts als Kampf kann daher auch gesellschaftliche Folgen mit sich führen, so könnten Eltern beispielsweise aus finanziellen oder psychischen Gründen auf eine solche Auseinandersetzung verzichten wollen. Insbesondere die Konzeptualisierung des Kampfes als sinnlos und unendlich verstärkt diese Problematik.

Setzt man die Ergebnisse der konkreten und der abstrakten Ebene in Bezug zueinander, kann nicht nur festgestellt werden, dass auf beiden Ebenen ein Gefühl von Angst aufgebaut wird, sondern es lässt sich ebenfalls konstatieren, dass die gesellschaftlichen Zweifel an der Inklusion widergespiegelt und parallel hierzu (re)produziert werden. Hinsichtlich des gesellschaftlichen und politischen Kontextes, der eingangs erläutert wurde, scheinen diese sich im Diskurs manifestierende Skepsis und Angst nahezu verständlich, hat sich doch gezeigt, dass die Umstrukturierung vom traditionellen deutschen zu einem inklusiven Bildungssystem einen tiefgreifenden Wandel beinhaltet. Dennoch wurde die rechtliche Entscheidung zugunsten der Inklusion bereits mit der Ratifizierung des "Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" getroffen. Somit kann das Schüren der Angst, das sich im Mediendiskurs mittels der metaphorischen Konzeptualisierungen abzeichnet, als ein weiteres Hindernis bei der Realisierung eines Rechts gelten, das bereits im Jahr 2008 offiziell garantiert wurde.

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  • Hervorzuheben ist, dass die Theorie der Konzeptuellen Integration nicht nur dazu dient, die mentalen Prozesse zu erläutern, die Metaphern zugrunde liegen. So können beispielsweise auch Metonymien oder Kategorisierungen anhand des Modells erklärt werden. Dennoch ist die Theorie bislang insbesondere als alternative Metapherntheorie zum Einsatz gekommen (Ferrari 2014Ferrari, Lilian. Introdução à Linguística Cognitiva. São Paulo, Contexto, 2014.: 125ff.).
  • 2
    Obgleich bestimmtes Wissen von den Mitgliedern in Diskursgemeinschaften geteilt wird, ist wohlgemerkt nicht davon auszugehen, dass jedes Mitglied einer solchen Gemeinschaft über exakt den gleichen Wissensvorrat verfügt. Dementsprechend variiert das Verstehen einzelner Metaphern unter anderem in Abhängigkeit von dem Vorwissen der Lesenden.
  • 3
    Eine solche Darstellungsweise orientiert sich an Coulson (2001)Coulson, Seana. Semantic Leaps. Frame shifting and conceptual blending in meaning construction. Cambridge, Cambridge University Press, 2001..
  • 4
    Hervorhebungen in den Zitaten von der Autorin.
  • 5
    Aus dem Zeitungsartikel geht hervor, dass es sich hierbei um eine inklusive Grundschule handelt.
  • 6
    Die Thematik Streit ist Krieg (argument is war) und Streit ist Kampf (argument is fight) wird bereits bei Lakoff und Johnson (1980: 83ff.) thematisiert. Diese erläutern, dass in Abhängigkeit von dem jeweiligen Konzept, das eine Person von Streit beziehungsweise von Kampf hat, die beiden Begriffe sowohl im Verhältnis einer Metapher als auch einer Subkategorisierung zueinander stehen können. Der Übergang zwischen Metapher und Subkategorisierung sei somit fließend. Bei Streit ist Krieg sei hingegen eindeutig ein metaphorisches Verhältnis zu konstatieren. Da in der vorliegenden Studie im Kontrast zu einzelnen Metaphern diskursive Metaphorisierungen analysiert werden, die sich repetitiv im Diskurs in unterschiedlichen Texten manifestieren, wird davon ausgegangen, dass insbesondere bei allgemeiner Kenntnis der medialen Inklusionsdebatte das Evozieren des Krieg-Frames durch den Begriff Kampf in diesem Kontext nicht unwahrscheinlich ist.
  • 7
    Im Fortlauf des Artikels werden die Treffen einer Arbeitsgemeinschaft für Inklusion als Hochburg betitelt.
  • 8
    Aus Sicht der Metaphernforschung handelt es sich bei Himmelfahrtskommando in diesem Kontext um ein besonderes Phänomen. Während die ursprüngliche Metapher aus dem militärischen Bereich (nach dem Verständnis von Skirl 2010Skirl, Helge. Kompositummetaphern - semantische Innovation und textpragmatische Funktion. In: metaphorik.de, 19, 2010, 23-45. <http://www.metaphorik.de/de/journal/19/metaphorikde-192010.html> (28 Mai 2016).
    http://www.metaphorik.de/de/journal/19/m...
    ) eine Kompositummetapher darstellt, da nur ein Bestandteil (Determinans) eine metaphorische Bedeutung aufweist, erhalten durch die Verwendung im Zusammenhang mit der Inklusionsdebatte beide Bestandteile eine metaphorische Bedeutung.
  • 9
    Die Begriffe Integration und Inklusion werden meist voneinander abgegrenzt, zum Teil aber auch synonym verwendet. So ist beispielsweise auch der englische Begriff inclusion der UN-Konvention in der deutschen Übersetzung mit Integration wiedergegeben. Erst in einer sogenannten Schattenübersetzung wird der Begriff Inklusion verwendet (Deutschland 2014Deutschland. Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die UN-Behindertenrechtskonvention: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Berlin, 2014.).

Publication Dates

  • Publication in this collection
    Dec 2016

History

  • Received
    02 June 2016
  • Accepted
    10 Oct 2016
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
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