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SPIEL MIT DER MASKE: HEGEL UND SCHLEGEL ZUR KOMÖDIE

PLAYING WITH THE MASK: HEGEL AND SCHLEGEL ON COMEDY

ZUSAMMENFASSUNG

In der bisherigen Hegel-Literatur wird Schlegel zumeist als Hegels Antipode behandelt. Im Gegensatz dazu richtet sich mein Interesse in der vorliegenden Arbeit darauf, zu zeigen, dass Hegels Darstellung der Komödie In der „Phänomenologie des Geistes“ unter dem Einfluss von Schlegels Texten über die Komödie entstanden sein könnte. Um dies belegen zu können, werden zunächst die literaturgeschichtliche Bedeutung von Schlegels Aufsatz über Aristophanes aus dem Jahr 1974 und der Ruf gezeigt, den er in der damaligen intellektuellen Öffentlichkeit erlangte. Daraufhin soll dargelegt werden, inwieweit es strukturelle Überschneidungen zwischen Hegels und Schlegels Darstellungen der Komödie gibt. Im Zentrum der Argumentation steht aber, dass beide Autoren die Parabase als das zentrale Element der Darstellung verwenden. Im letzten Teil der Arbeit wird aber versucht zu zeigen, dass Hegel über Schlegel hinausgeht, sofern die Komödie in Hegels System das Potenzial darstellt, über die Art und Weise der Vorstellung hinaus zum absoluten Wissen zu gelangen.

Schlüsselwörter:
Hegel; Schlegel; Aristophanes; Komödie; Parabase

ABSTRACT

In the previous Hegel literature, Schlegel is mostly treated as Hegel’s antipode. In contrast to this, my interest in the present work is directed towards showing that Hegel’s presentation of comedy in the „Phenomenology of the Spirit“ may have developed under the influence of Schlegel’s texts on comedy. In order to be able to prove this, the significance of Schlegel’s essay on Aristophanes from 1974 and the reputation he gained in the intellectual public of the time are shown first. It will then be shown to what extent there are structural overlaps between Hegel’s and Schlegel’s presentations of comedy. At the center of the argument, however, is the fact that both authors use the parabasis as the central element of the presentation. In the last part of the work, the attempt is made to show that Hegel goes beyond Schlegel, insofar as the comedy in Hegel’s system displays the potential to reach absolute knowledge beyond the way of representation.

Keywords:
Hegel; Schlegel; Aristophanes; Comedy; Parabasis

I. Kontext und Fragestellung

Friedrich Schlegel1 1 Im Folgenden wird er nur mit dem Nachnamen benannt. war mit seinem Konzept der Ironie ständiger Gegenstand von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Kritik und Vorwürfen. Bisher wurde jedoch in der Hegel-Literatur übersehen, dass Hegel das Wort und tatsächlich den Begriff der Ironie in seine eigene Darstellung der Komödie im siebten Kapitel (VII. Religion) der „Phänomenologie des Geistes“2 2 Im Folgenden: PhäG. einbezog3 3 Behler (1972, p. 113) bemerkt diese Einbeziehung, übersieht aber - kurioserweise - die enge, sogar klare Verbindung zwischen Komödie und Ironie, als wollte er nicht darüber nachdenken, wie Hegel hier Schlegels Konzept der Ironie verwendet. Der Bezug auf Schlegel wird auch im bisher ausführlichsten Kommentar zu Hegels Darstellung der Komödie in der PhäG nicht erwähnt (Hebing, 2015, pp. 91-120). Eines der wenigen Beispiele, die von dem Einfluss von Schlegel auf Hegel in der PhäG handelt, ist de Boer, 2009 (darin insbesondere Teil VII); de Boer argumentiert, dass sich Hegels Darstellung der viel diskutierten „ewige[n] Ironie des Gemeinwesens“ (Hegel, 1986a, p. 352) implizit auf die aristophanischen Komödien und damit auch auf Schlegels Texte über die Komödie bezieht. - und zwar da, wo die Referenzfigur sein liebster Komödien-Autor Aristophanes ist.

Nach Hegels Darstellung bezeichnet die Komödie in der religionsgeschichtlichen Entwicklung die Vollendung der griechischen Kunstreligion und den Übergang zur christlichen Religion der Offenbarung. Hier spielt die ironische Distanzierung und Depotenzierung der herkömmlichen Gemeinschaftsordnung, die in der Komödie zum Ausdruck kommt, die zentrale Rolle. Hegel beobachtet in den aristophanischen Komödien, dass in dem vernachlässigenden Verhalten gegenüber der sittlichen Substanzialität die Subjektivität des individuellen Selbst ins Spiel kommt, das ein souveränes „Wohlsein und Sichwohlseinlassen“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 544) ausdrückt. Das individuelle Subjekt, das ins Zentrum der Darstellung der Komödie tritt, präsentiert sich als das „Schicksal“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., pp. 541, 542) in Bezug auf die Götter, die bisher die sittlichen Grundlagen geschaffen haben. Es verhält sich ironisch gegenüber den göttlichen Vorgaben und degradiert diese dadurch zu maskenhaften Hülsen, die es nach Belieben abstreifen kann. Diese ironische Degradierung verkörpert sich auf der Bühne in einem Verfahren der Komödie von Aristophanes, nämlich der Parabase. Dabei nimmt der Schauspieler der Komödie seine Maske ab, unterbricht den Verlauf des Dramas und kommt dann in seiner eigenen Person in direkten Kontakt mit dem Publikum. Das individuelle Subjekt sei in der Komödie

daher über ein solches [abstraktes] Moment[, das von Göttern repräsentiert wird,] als über eine einzelne Eigenschaft erhoben, und angetan mit dieser Maske spricht es die Ironie derselben aus, die für sich etwas sein will. Das Selbst, hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend, spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um seine Person [im Drama] zu sein; aber aus diesem Scheine tut es sich ebenso bald wieder in seiner eigenen Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem eigentlichen Selbst, dem Schauspieler, sowie von dem Zuschauer nicht unterschieden zu sein zeigt. (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 542; Hervorh. vom Verf.).4 4 Eine andere Passage auf derselben Seite, in der von der Ironie die Rede ist: „[I]n dem Mysterium des Brotes und Weines macht es [das wirkliche Selbstbewusstsein des individuellen Subjekts] dieselbe zusammen mit der Bedeutung des inneren Wesens sich zu eigen, und in der Komödie ist es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt bewußt“. (Hegel, 1986a, p. 542; Hervorh. vom Verf.; Einfügungen in den eckigen Klammern durch den Verfasser - dies gilt für die gesamte vorliegende Arbeit.)

Diese Einbeziehung von Ironie und Parabase überrascht den Leser insofern, als er sich bewusst wird, dass die Verbindung zwischen Ironie und Parabase5 5 „Die Ironie ist eine permanente Parekbase.“ (Schlegel, 1963, p. 85) Das Fragment stammt aus dem Jahr 1797. ein zentrales Anliegen der Theorie der romantischen Ironie von Hegels lebenslangem Gegner Schlegel ist. Werden die Passagen in Schlegels Texten über Aristophanes betrachtet, auf die sich Hegels Darstellung der Komödie in der PhäG zu beziehen scheint, wird aber diese Überraschung zum Verdacht, dass sich Hegel aus diesen Texten heimlich etwas Wichtiges für seine Darstellung angeeignet habe.

In diesem Zusammenhang besteht das Ziel dieser Arbeit daraus, die Fragen zu beantworten, ob oder inwieweit Hegels Darstellung der Komödie in der PhäG6 6 In der späteren „Vorlesungen über die Ästhetik“ blieben Hegels Darstellung der Komödie zwar in gewisser Hinsicht dieselbe, hat sich aber auch in wichtigen Punkten geändert. Der wichtigste Punkt im Kontext der vorliegenden Arbeit wäre, dass es beim PhäG, wie im Folgenden gezeigt wird, um die formale Dimension der Aufführung geht, während es in den „Vorlesungen über die Ästhetik“ nicht mehr darum geht. Worin die Unterschiede zwischen Hegels zwei Darstellungen der Komödie in der PhäG und in den „Vorlesungen über die Ästhetik“ bestehen, ist ein weiteres Thema, mit dem sich die vorliegende Arbeit nicht befassen kann. von Schlegels Texten zur aristophanischen Komödie beeinflusst wurde. Zu diesen Texten gehören hauptsächlich der Aufsatz „Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie“ von 1794 und, insbesondere im Hinblick auf die Parabase, ein Teil des Manuskripts für den Vortrag in Paris 1803 und dann 1804 in Köln über die „Geschichte der europäischen Literatur“ mit dem Titel „Charakteristik der griechischen Komödie“. Um dieses Einflussverhältnis belegen zu können, wird das Argument in folgenden Schritten vorgehen. Zunächst werden die Aspekte von Schlegels Aufsatz von 1794 vorgestellt, der für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung ist, insbesondere unter Berücksichtigung der damaligen intellektuellen Situation (II). Dann muss auf die Frage eingegangen werden, ob und aus welchen Gründen anzunehmen ist, dass Hegel diesen Aufsatz kannte, las und sich damit möglicherweise beschäftigte (III). Danach ist darzulegen, welche gemeinsamen Züge Hegels und Schlegels Darstellung der Komödie zu zeigen hätten - als indirekte Hinweise darauf, dass sich Hegels Konzeption der Komödie unter dem Einfluss von Schlegels Aufsatz entwickelt hat (IV). Schließlich wird eine weitere zentrale Gemeinsamkeit zwischen den beiden Autoren in Bezug auf die Parabase gezeigt und in Zusammenhang damit kurz auf die Frage eingegangen, inwieweit es sich sagen lässt, dass der Teil über die Komödie in Schlegels Vortragsmanuskript zur „Geschichte der europäischen Literatur“ für Hegel zugänglich war (V). Im letzten Teil der Arbeit wird aber erörtert, dass Hegel weitere Ansätze zur Komödie ausgearbeitet hat, die über Schlegel hinaus ein Potenzial für die Entwicklung des absoluten Wissens enthalten (VI).

II. Schlegels „bahnbrechend[er]“ (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLIII) Aufsatz über Aristophanes

Vor der Beschäftigung mit der Frage, ob und inwieweit Hegel unter dem Einfluss von Schlegels Aufsatz von 1794 stand, lohnt es sich, für die Argumentation dem Aufsatz selbst Aufmerksamkeit zu schenken.

In der Einleitung des ersten Bandes der „Kritischen Friedrich-SchlegelAusgabe“, der den Aufsatz enthält, beschreibt der Herausgeber Ernst Behler diesen Text in dreierlei Hinsicht als „bahnbrechend“ (ibid.): Erstens entdeckt er dieser Aufsatz Aristophanes als „eine[n] der großen Repräsentanten der griechischen Literatur” (ibid.) wieder. Dies war im 18. Jahrhundert keineswegs der Fall. Für Schlegel gilt Aristophanes „als ein Urkünstler der ersten Größe, in anderer und ganz eigentümlicher Art, neben den erhabensten Meistern der alten tragischen Kunst“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 19). Zweitens verbindet Schlegel in diesem Aufsatz die Schönheit, die Freiheit und die Fröhlichkeit der Alten Komödie „in bewußter Abweichung von der Platonischen Denkweise“ (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLIV) mit der „geheime[n] Feier der fremden und verborgenen Götter, besonders des Dionysos, der unsterblichen Freude, der wunderbaren Fülle und ewigen Befreiung“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 20). Drittens ist jene „beobachtete Neigung zur Illusionszerstörung und zum Heraustreten des Dichters aus seinem Werk“ (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLV) für den Autor des Aufsatzes von Bedeutung, die in der aristophanischen Komödie als Parabase, als ein „politische[s] Intermezzo, [...] wo der Chor mit dem Volke redet“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 30), verwirklicht wurde. Diese drei Punkte - die Wiederentdeckung von Aristophanes, die Verbindung von Komödie und dionysischer Freiheit und die Betonung der Parabase - sind im Kontext der vorliegenden Arbeit von besonderer Bedeutung.

Martin Holtermann hat in seiner detaillierten Untersuchung der Rezeptionsgeschichte von Aristophanes in Deutschland im 19. Jahrhundert die neuen Aspekte dargelegt, die Schlegels Interpretation hervorgebracht hat. Hier sind davon die drei Aspekte heranzuziehen, die für die von Behler genannten Punkte unmittelbar relevant sind. Sie können teils als eine präzise Detaillierung, teils als eine Kritik an Behlers Ansichten zu Schlegels Aufsatz betrachtet werden.

Holtermann beschreibt ausführlich, wie negativ Aristophanes, insbesondere in der französischen Literatur im 17. und 18. Jahrhundert, klassifiziert wurde, und erklärt das, was Behler nur in einem Satz andeutete. Viele Literaturtheoretiker, die an den klassischen Normen der poetischen oder theatralischen Produktion der Zeit festhielten, meinten, dass Aristophanes’ Sprache oft nicht ordentlich und vulgär war, so dass sie für die Theateraufführung nicht geeignet wäre, dass in seinen Werken nicht an den ‚drei aristotelischen Einheiten’ festgehalten würde, dass fast alle seine Stücke nicht der narrativen Perfektion befolgt hätten usw.7 7 Hier beschränke ich mich darauf, den bekanntesten Fall aus Holtermanns Ausführungen zu zitieren, Voltaire: „Dieser Komödiendichter [Aristophanes], der weder komisch noch Dichter ist [...], scheint mir viel niedriger und verächtlicher zu sein, als Plutarch ihn porträtiert hat. [...] Es ist also [...] der Mann, der aus der Ferne Gift hergestellt hat, aus dem berüchtigte Richter den tugendhaftesten Mann Griechenlands gemacht haben“. Voltaire, Dictionnaire philosophique, Art “Athéisme” (1769), S. 208 (zitiert nach Holtermann (2004, p. 57); Übersetzungen vom Verfasser).

Laut Holtermann ist Schlegel jedoch nicht der erste Autor, der Aristophanes überhaupt positiv bewertet hat: Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben Autoren der deutschen Aufklärung wie Johann Georg Sulzer, Karl August Böttiger, Johann Georg Schlosser und Christoph Martin Wieland Aristophanes positiv beurteilt und in einigen Fällen sogar bewundert. Sie sahen ihn einerseits als einen „geistigen Verbündeten der Aufklärung im Kampf gegen Aberglauben, übertriebene Frömmigkeit und ausuferndes Priesterwesen“ (im Fall von Böttiger) an (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 57 (Anm. 118)). Andererseits wollten sie insofern in damaliger vorrevolutionären Zeit „die attische Komödie auf [ihre] eigene Gegenwart hin [...] aktualisieren“, als sie darin ein „Ventil für die Frustration der unterdrückten ‚Untertanen’“, also die Verspottung der Reichen im Augen des Volkes als Theaterpublikum beobachteten (im Fall von Schlosser) (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 63).

Inwieweit unterscheidet sich Schlegels Einschätzung von Aristophanes im oben genannten Aufsatz von diesen früheren Einschätzungen in der deutschen Aufklärung? Schlegels Neuheit in der Literaturkritik besteht darin, dass er „[d]er erste“ gewesen sei, der eine „philosophische Komödientheorie“ über Aristophanes entworfen hat, die von seinem Bruder August Wilhelm Schlegel durch seine Wiener Vorlesungen verbreitet wurde (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 92; Hervorh. vom Verf.). Schlegel beschreibt also die aristophanische Komödie in der kunstphilosophischen Terminologie, wie im folgenden Beispiel:

Die Natur des Komischen kann man nur in der unvermischten reinen Gattung kennen lernen: und nichts entspricht so ganz dem Ideal des reinen Komischen als die alte Griechische Komödie. Sie ist eins der wichtigsten Dokumente für die Theorie der Kunst; denn in der ganzen Geschichte der Kunst sind ihre Schönheiten einzig [...]. (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 20).

In dieser Hinsicht kann Behlers Einschätzung von Schlegels Aufsatz als „bahnbrechend“ (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLIII) genauer herausgestellt werden: Schlegels „Wiederentdeckung des Aristophanes als eines der großen

Repräsentanten der griechischen Literatur“ (ibid.) besteht, wie Holtermann gezeigt hat, nicht nur in der positiven Einschätzung dieses Autors von Aristophanes im Allgemeinen, sondern im Versuch, seine Komödien mit der Terminologie aus der Kunstphilosophie theoretisch zu rechtfertigen. Diesem Versuch folgten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland Bemühungen, „das Wesen der Komödie philosophisch zu begründen“ (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 91).

In diesem Zusammenhang wandelt Schlegel nach Holtermann „einen traditionellen Vorwurf gegen Aristophanes“ in dessen „besondere[n] Vorzug“ um (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 95): Die „dramatische Vollständigkeit“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 31-32), die seit der aristotelischen Poetik den Kern der klassischen Normen der Dramaturgie bestimmt hat, wird in der aristophanischen Komödie zugunsten unbegrenzter Freiheit unterbrochen, die nach Schlegels Ansicht auf der dionysischen Lebensfülle beruht. Und diese Freiheit ist laut Schlegel mit einem Verfahren auf der Bühne der Komödie verbunden: Mit der Parabase, „wo der Chor mit dem Volke“, also mit dem Publikum der Komödie, „redete“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 30), wodurch der dramatische Verlauf unterbrochen wird.8 8 Wie Holtermanns diesen Zusammenhang zwischen Freiheit und Parabase in der Komödie erklärt, ist eher sparsam.

Ein weiterer von Holtermann hervorgehobener Punkt, der in Behlers Erklärung jedoch weggelassen wurde, ist die Beziehung der Komödie zum damaligen Publikum - zum Volk. Während Behler Schlegels Interpretation der Komödie auf ihre „rein ästhetische [...] Ausrichtung“ beschränken will (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLIV), erweitert Holtermann sie um eine politische Dimension, in der sich Schlegel mit der „Ausrichtung der Komödie auf das Volk“ befasst (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 99). Die Komödie ist somit eine „genuin demokratische Kunstform“ (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 96). Dies hängt damit zusammen, dass Schlegel die negative Konnotation der bisher „schon oft“, d. h. bei den französischen Literaturkritikern und dann auch bei den Autoren der deutschen Aufklärung, „behauptete[n] Ausrichtung der Alten Komödie auf den ›Pöbel‹ ins Positive“ umkehrt hatte (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 96). Schlegel sagt:

Die Griechen ehrten das Volk; und es ist nicht die kleinste Vortrefflichkeit der Griechischen Muse, dass sie auch dem ungebildeten Verstande, dem gemeinen Manne die höchste Schönheit verstaendlich zu machen wusste. Freilich übertraf auch der gemeine Mann zu Athen, nicht bloß an natürlichem Geist und geselliger Bildung, sondern noch weiter an Freiheit und Energie des sittlichen Gefühls, alle seinesgleichen. Das beweist uns unter andern eben der Aristophanes[...]. (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 26).

Für die vorliegende Arbeit lassen sich aus Holtermanns Ausführungen insgesamt drei Aspekte herausarbeiten: 1. Schlegels positive Betrachtung der aristophanischen Komödie erfolgt durch die kunstphilosophische Terminologie, mit der nach der Natur der Komödie oder der Kunst im Allgemeinen gefragt wird. 2. Schlegels positive Bewertung der aristophanischen Komödie entgegen der Tradition der Literaturkritik spricht für den Ausdruck der Freiheit, der sich auf der formalen Aufführungsebene der Komödie auf die Parabase als eine freie Unterbrechung des dramatischen Verlaufs bezieht. 3. Schlegel bewertet das damalige Volk als Publikum der Komödie positiv.9 9 Der dritte Punkt bei Holtermann wird im übernächsten Teil (IV) der Arbeit kritisch kommentiert.

Nach Holtermann eröffnet Schlegels Aufsatz das Feld der kunstphilosophischen Diskussion der Komödie oder des Komischen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär wurde (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 91-92) und in deren Rahmen auch Hegel über die Komödien von Aristophanes nachdachte und schrieb. Es scheint mir jedoch, dass sich in Hegels Betrachtung der Komödien in der PhäG mehr als nur eine Affinität zu Schlegels Sicht der Komödie liegt, insbesondere in den unten zu betrachtenden Punkten. Im Folgenden werden die Gründe erläutert, weshalb anzunehmen ist, dass Hegel Schlegels Aufsatz über Aristophanes gelesen und daraus wichtige Hinweise für seine eigene Betrachtung der Komödie erhalten habe. Im nächsten Teil der Arbeit werden zunächst die Gründe für diese Annahme auf biographischchronologischer Ebene berücksichtigt.

III. Hegel als ein möglicher Leser von Schlegels Aufsatz zu Aristophanes

Schlegels Aufsatz über Aristophanes wurde 1794 in der Berlinischen Monatsschrift publiziert, die als eines der führenden Publikationsorgane der Aufklärung galt. Sie war daher Kants Lieblingsmagazin, in dem mehrere seiner Texte wie „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1785) und der erste Teil von „Religion innerhalb der Grenze der bloßen Vernunft“ (1792) publiziert wurden. Diese Zeitschrift ist Hegel so bekannt, dass er schon in seiner Jugend mehrere Artikel, darunter jenen von Moses Mendelssohn mit dem Titel „Über die Frage: was heißt aufklären?“ (1784), aus dieser Zeitschrift eifrig exzerpierte.10 10 Pinkard, 2000, p. 49.

Übrigens waren Schlegels andere altphilologische Arbeiten schon damals von Fachleuten allgemein anerkannt.11 11 Behler, 1979, p. LXXIV, CLII, CLXVIII, CLXX. Otto Pöggeler weist darauf hin, dass Hegel in Jena die Schriften Schlegels genau studiert habe (Pöggeler, 1998b______. “Konkurrenz in Sachen Geschichtsphilosophie: Friedrich Schlegel und Hegel”. In: D. Köhler, E. Weisser-Lohmann (eds.). 1998b, pp. 165-184., p. 166). Hegel erkannte immer wieder die Bedeutung an, die Schlegel für die Wiederentdeckung der mittelalterlichen Literatur und Kunst hatte (ibid.).12 12 De Boer (2009, p. 326) verweist auch darauf, dass sich Hegel sehr für die griechische Tragödie und Komödie interessierte, seine zeitgenössische Autoren in breitem Umfang las und wenigstens einige der Texte Schlegels in der Zeit der Abfassung der PhäG kannte. Hegel nahm ihr zufolge möglicherweise einen Hinweis von Schlegel, als er in dem ersten Unterkapitel (A. Der wahre Geist. Die Sittlichkeit) aus dem fünften Kapitel (Der Geist) in der PhäG den Untergang der griechischen Kultur aus der Sicht der aristophanischen Komödie interpretierte. Der Aufsatz „Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie“ ist sogar Behler zufolge „eine der berühmtesten und anerkanntesten Arbeiten Schlegels“ (Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. CXLIII). Daher lassen sich folgende Vermutungen anstellen: Hegel, der sich während der Vorbereitung und Ausarbeitung der PhäG mit der Komödie von Aristophanes befassen wollte, kam nicht umhin, Schlegels Studien über diesen Verfasser von Komödien in Betracht zu ziehen.13 13 Werner Hamacher vermutet in einer seiner Studien über Hegel auch, dass er den Aufsatz gelesen haben könnte (Hamacher, 2000, p. 146).

Auch wenn seine Frankfurter Zeit (1797-1800) betrachtet wird, lassen sich Hinweise dafür finden, dass Hegel Schlegels Arbeiten kannte. In seiner Hegel-Biographie in Zusammenhang mit dem von Hegel selbst verfassten Gedicht “Eleusis” vermutet Terry Pinkard, dass dieser in Frankfurt unter dem Einfluss von Hölderlin bewusst eine Art Romantiker werden wollte.14 14 Pinkard, 2000, p. 77. Und Johannes Korngiebel zufolge hat Hegel wohl schon in Frankfurt einige der Frühschriften Schlegels zur Kenntnis genommen und dürfte das von Schlegel herausgegebene Athenäum gelesen haben (Korngiebel, 2018KORNGIEBEL, J. “Schlegel und Hegel in Jena. Zur philosophischen Konstellation zwischen Januar und November 1801”. In: M. Forster (ed.), 2018, pp. 181-210., pp. 183, 186). Hegel war aber auch mit Friedrich Schlegels Rezension von 1796 zu der von Schiller herausgegebenen Zeitschrift Horen vertraut, die während Hegels Berner Zeit in der Zeitschrift Deutschland veröffentlicht wurde (Hegel, 1952______. “Briefe von und an Hegel”. Band I: 1785-1812. Hrsg. von J. Hoffmeister. Hamburg: Felix Meiner, 1952., pp. 78, 451).15 15 Übrigens war Hegel in Jena ein Besucher von Friedrich Schlegels Vorlesungen über die Transzendentalphilosophie. Michael N. Forster stellt fest, inwieweit diese Vorlesungen die Grundzüge des absoluten Idealismus antizipieren: “Taken collectively, these anticipations are indeed so extraordinary that they can, in my view, only be satisfactorily explained as influences of Schlegel on Hegel” (Forster, 2018, p. 140). Er lässt aber die Möglichkeit von Einflüssen von Herder, Hölderlin und Schelling in dieselbe Richtung offen (ibid.).

Nach dem, was bisher gesagt wurde, kann es als sehr wahrscheinlich gelten, dass Hegel Schlegels Aufsatz kannte, las und studierte. Aber hat Hegel etwas davon in seiner Darstellung der Komödie in der PhäG übernommen? Hat dieser Aufsatz die Entwicklung von Hegels Sicht der aristophanischen Komödie beeinflusst? Wenn ja, in welchem Umfang? In den nächsten beiden Teilen der Arbeit sollen diese Fragen behandelt werden.

IV. Gemeinsamkeiten zwischen Schlegels und Hegels Ansichten zur Komödie

Diese letzten Fragen können jedoch nicht mit absoluter Sicherheit beantwortet werden. Werden jedoch die Passagen über die Komödie in der PhäG zusammen mit Schlegels Texten über Aristophanes gelesen, lassen sich überraschenderweise viele strukturelle Überschneidungen feststellen, die auf ein Einflussverhältnis zwischen beiden Autoren hinweisen. Im Folgenden werden nur drei wichtige Punkte vorgestellt.

  1. 1. Kunstphilosophische Bestimmung der Komödie: Wie oben festgestellt, erfolgte Hegels Betrachtung von Aristophanes innerhalb des kunstphilosophischen Gebietes, welches bereits von Schlegel erschlossen wurde. Darin finden sich strukturelle Ähnlichkeiten - auch bei den beiden verwendeten Schlüsselwörtern -, die wie folgt beschrieben werden können: In der aristophanischen Komödie sind die Freiheit und die Freudigkeit wesentlich miteinander verbunden. Denn da werden alle - insbesondere sittlich - einschränkenden Wirkungen depotenziert. Die an der Komödie beteiligten Personen genießen diese unbeschränkte Freiheit, wobei dieser Genuss nichts anderes als der Genuss eigener Kraft ist. Im Folgenden werden beispielsweise die Stellen beider Autoren zitiert, die zeigen, dass deren Formulierungen miteinander übereinstimmen:

    Überhaupt wird [in der Komödie] Freiheit durch das Hinwegnehmen aller Schranken dargestellt [...] Dadurch, dass sie [die freie Person] im frohen Genusse ihrer selbst aus reiner Willkür und Laune handelt, absichtlich ohne Grund oder wider Gründe, wird die innere Freiheit sichtbar (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 23; Hervorh. vom Verf.).

    Die Vollendung der Sittlichkeit zum freien Selbstbewußtsein und das Schicksal der sittlichen Welt [in der Komödie] ist daher die in sich gegangene Individualität, der absolute Leichtsinn des sittlichen Geistes, der alle festen Unterschiede seines Bestehens und die Massen seiner organischen Gliederung in sich auflöst, und vollkommen seiner sicher zur schrankenlosen Freudigkeit und zum freiesten Genusse seiner selbst gelangt ist (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 513; Hervorh. vom Verf.).

    Diese Übereinstimmung weist darauf hin, dass Hegel nicht nur in der von Schlegel entwickelten kunstphilosophischen Dimension gearbeitet, sondern möglicherweise aus Schlegels Aufsatz grundlegende Bestandteile übernommen hat.

  2. 2. Historische Einzigartigkeit des Modellcharakters der Alten Komödie: Sowohl Schlegel wie auch Hegel betonen die historische Einmaligkeit von Aristophanes’ Komödie in ihrem Modellcharakter: Die vollkommene Freiheit und die damit verbundene unbefangene Freudigkeit sind nur in dieser Komödie zu finden.

    Schlegel sagt: „Sie [die alte Griechische Komödie] ist eins der wichtigsten Dokumente für die Theorie der Kunst; denn in der ganzen Geschichte der Kunst sind ihre Schönheiten einzig“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 20; Hervorh. vom Verf.). Die „komische Muse“ sei „nur bei einem Volke, und bei diesem einem Volke nur eine kurze Zeit“ frei gewesen (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 24).16 16 Und: „Sie [die alte Griechische Komödie] ist ein unübertreffliches Muster schöner Fröhlichkeit, erhabener Freiheit, und komischer Kraft, bei allen Fehlern“ (Schlegel, 1979, p. 30; Hervorh. vom Verf.).

    Hegel betont auch die einmalige Vergangenheit des freudigen Wohlgefühls der Komödie: „[...] ein Wohlsein und Sichwohlseinlassen des Bewußtseins [...], wie sich außer dieser Komödie keines mehr findet“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 544). Parallele Äußerungen lassen sich auch in den späteren „Vorlesungen über die Ästhetik“ finden: „Ohne ihn [Aristophanes] gelesen zu haben, läßt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann“ (Hegel, 1986c______. “Vorlesungen über die Ästhetik III”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 15, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986c., p. 553).

  3. 3. Doppelseitigkeit des Volkes: Dieser einzigartige Modellcharakter der aristophanischen Komödie bezieht sich wiederum auf einen historischen Umstand, in dem das damalige griechische Volk das Publikum der Komödie war. Wie oben bereits dargestellt, hat Schlegel dieses Volk positiv beurteilt. Das griechische Volk ist sogar in seiner sittlichen und politischen Bildung im Vergleich zu den anderen Völkern unübertroffen.17

    Aber Schlegel hat das griechische Volk nicht nur positiv beurteilt, wie Holtermann betonte. Laut Schlegel ist das Verhalten von Aristophanes gegenüber dem griechischen Volk grundsätzlich ambivalent: „Das [die Unübertrefflichkeit des griechischen Volkes] beweist uns unter andern eben der Aristophanes, welcher uns oft so deutlich überführt, daß es auch zu Athen Pöbel gab“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 26; Hervorh. vom Verf.).18 18 Holtermann (2004, p. 97 (Anm. 18) und p. 99) bemerkte diese Ambivalenz nur am Rande. Schlegel war sich dieses Zwiespalts in der aristophanischen Komödie vollkommen bewusst. Das griechische Volk war unübertroffen „nicht bloß an natürlichem Geist und geselliger Bildung, sondern noch weiter an Freiheit und Energie des sittlichen Gefühls“ (ibid.), während es in seiner Verderbtheit und seinem rohen Geschmack dem Mob glich: „[D]ie Sitten waren schon sehr verderbt, und der komische Geschmack noch roh“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 25). Die Alte Komödie musste sich darauf einstellen (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., pp. 25-26).

    Diese zwiespältige Haltung gegenüber dem griechischen Volk zeigt Hegel auch in seiner Darstellung der Komödie: Einerseits sieht er im Publikum der Komödie die Krönung der individuellen Subjektivität, die sich nicht mehr den fremden Mächten der göttlich-sittlichen Instanz unterwirft. Der Zuschauer der Komödie löst im Gegenteil dieses Allgemeine in der subjektiven „Gewißheit seiner selbst“ auf und damit ist er „in dem, was ihm [auf der Bühne] vorgestellt wird, vollkommen zu Hause“. Eine souveräne Glückseligkeit des zuschauenden Publikums bei sich selbst herrscht so weit, dass dieses „Wohlsein und Sichwohlseinlassen des Bewußtseins“ außerhalb dieser alten Komödie nicht mehr zu finden ist (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 544).

    Andererseits hängt diese Souveränität des Subjekts der Komödie mit seinem zynischen Verhalten gegenüber der nun machtlosen, korrumpierten Sittlichkeit zusammen, wobei nur die Durchsetzung der Eigeninteressen gilt. Es geht um den Gegensatz zwischen abstrakter, machtloser Universalität und der Behauptung von Besonderheit (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., pp. 542-543). Hegel bezog sich bewusst auf diese Doppelseitigkeit des Volkes mit der Zweideutigkeit des Wortes „Demos“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 542): An der Stelle bringt er zwei verschiedene Bedeutungen des Demos zusammen - der von ihm mit dem Staat gleichgesetzten „eigentliche Demos“ und jener Demos, der „die allgemeine Masse [ist], die sich als Herren und Regenten sowie als den zu respektierenden Verstand und Einsicht weiß“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., pp. 542-543).19 19 Holtermann, für den das Verhältnis zwischen Hegel und Schlegel überhaupt kein Thema ist, erwähnt, wenn auch nebenbei, dass sowohl Hegel als auch Schlegel in der aristophanischen Komödie den Hinweis auf den Sittenverfall sehen (Holtermann, 2004, p. 116 (Anm. 92)).

V. Parabase zwischen der Tragödie und der Komödie

Eine der wichtigsten Parallelen zwischen den beiden Autoren ist jedoch unter anderem die Betonung der Parabase, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Tragödie und Komödie.

Hegel etabliert die funktionale Position der Parabase im Übergang von der Tragödie zur Komödie. In der Tragödie ist nur eine „äußerliche“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 541) Einheit zwischen Selbst und Schicksal vorhanden. Diese Äußerlichkeit ist der Mangel, der im Verlauf der dialektischen Entwicklung von der Tragödie zur Komödie aufgehoben werden muss. Hegel beschreibt diese äußerliche Einheit als “Hypokrisie” (ibid.; Hervorh. i. O.), ein Wort, das sich auf Schauspieler (Griechisch: hypokrites) bezieht, und somit weist er darauf hin, dass es in der Tragödie immer noch keine wahre Einheit gibt und dass dieses Problem auf der Ebene der Bühnenpraxis gelöst werden sollte.

Seine Antwort auf die Frage nach der wahren Vereinigung von Selbst und Schicksal lautet, dass der Schauspieler selbst in seiner Aufführung auftreten muss - in freiem Umgang mit seiner Maske, die den sittlichen Charakter des Dramas darstellt. Dies beseitigt die Entzweiung zwischen der Maske des sittlichen Charakters und dem wirklichen Selbst des Schauspielers, und das Selbst tritt als der eigentliche Produzierende in der Kunstreligion in den Vordergrund.

Das Selbstbewußtsein der Helden muß aus seiner Maske hervortreten, und sich darstellen, wie es sich als das Schicksal sowohl der Götter des Chors, als der absoluten Mächte selbst weiß […]. / Die Komödie hat also vorerst die Seite, daß das wirkliche Selbstbewußtsein sich als das Schicksal der Götter darstellt. (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 541; Hervorh. i. O.).

Die Komödie stellt eine „Kraft“ dar (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 544), mit der das komische Subjekt die sittliche Substanz destruiert, weil es sie lediglich in ihrer maskenhaften Natur darstellt. Hegel sieht dies konkret in einer Bühnenpraxis der Alten Komödie, in der der Schauspieler im Verlauf des Dramas seine Maske abnimmt und als reale Person mit dem Publikum in Kontakt kommt, und genauso das Publikum mit ihm. Dieses von Hegel sogenannte Spiel mit der Maske (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 542), war in der Tat ein typisches Bühnenverfahren in Aristophanes’ Komödien, welches seinerseits parabasis genannt wurde. Hegel beschreibt dies wie folgt:

Das Selbst, hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend, spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um seine Person zu sein; aber aus diesem Scheine tut es sich ebenso bald wieder in einer eigenen Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem eigentlichen Selbst, dem Schauspieler, sowie von dem Zuschauer nicht unterschieden zu sein zeigt. (ibid.).

Die Parabase ist in Hegels Darstellung das Aufführungselement der Komödie, wodurch die gegebene sittliche Substanz so dargestellt wird, wie sie vom Selbst bzw. vom Subjekt produziert wurde. Sie bezeichnet denjenigen Punkt, an dem sich der Geist von seiner Substanzform zu der des Subjekts ändert - nämlich den Punkt, an dem aus geschichtsphilosophischer Sicht der Übergang von der klassischen Verschlossenheit der sittlich schönen Substanz zur modernen Offenheit des sich selbst reflektierenden Subjekts stattfindet.

Obwohl Schlegels Aufsatz von 1794 wenig explizit auf die Beziehung zwischen Tragödie und Komödie Bezug nimmt, ist es bemerkenswert, dass ein anderer seiner Texte überraschenderweise Hegels Betonung der Parabase als Kernelement beim Übergang von der Tragödie zur Komödie zu antizipieren scheint. Es handelt sich um das Manuskript für den Vortrag über die „Geschichte der europäischen Literatur“, den er 1803 in Paris und ein Jahr später in Köln hielt - das war einige Jahre vor der Veröffentlichung der PhäG. Darin behandelt Schlegel die Parabase, die er Parekbasis nennt, um Tragödie und Komödie zu vergleichen.

In der Form ist die alt-atheniensische Komödie der Tragödie ganz ähnlich. Sie hat von dieser einen chorischen und dramatisch-dialogischen Bestandteil, auch Monodien. Der einzige Unterschied besteht in der Parekbasis, einer Rede, die in der Mitte des Stücks vom Chor im Namen des Dichters an das Volk gehalten wurde. Ja, es war eine gänzliche Unterbrechung und Aufhebung des Stückes, in welcher, wie in diesem, die größte Zügellosigkeit herrschte und dem Volk von dem bis an äußerste Grenze des Prozeniums heraustretenden Chor die größten Grobheiten gesagt wurden. Von diesem Heraustreten (ἔκβασις) kommt auch der Name (Schlegel, 1958______. “Geschichte der europäischen Literatur”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Elfter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1958. pp. 3-185., p. 88; Hervorh. i. O.).20 20 Holtermann weist darauf hin, dass diese Betrachtung Schlegels über die etymologische Beziehung zwischen Parabase und ἔκβασις wenig begründet ist (Holtermann, 2004, p. 94 (Anm. 9)). Dies schadet aber Schlegels Argumentation insgesamt nicht.

Schlegel beschreibt die Parabase hier als den einzigen formalen Unterschied zwischen Komödie und Tragödie. Seine Auffassung ist insofern originell, als er der Ansicht ist, dass dieser Unterschied den wesentlichen Aspekt des von ihm identifizierten Genres der Komödie bestimmt, nämlich eine unbegrenzte Freiheit, die sich in der absichtlichen Unterbrechung des dramatischen Verlaufs ausdrückt. Die Parabase als zentrales Verfahren der Komödie begründet „die schönste und beste Form der Komödie“ (Schlegel, 1958______. “Geschichte der europäischen Literatur”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Elfter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1958. pp. 3-185., p. 89), die in der Komödie nichts anderes als eine „Unform“ ist (ibid.). Obwohl die „eigentliche wahre Verschiedenheit der alten Komödie von der Tragödie [...] im Stoff, in der Handlung“ (Schlegel, 1958______. “Geschichte der europäischen Literatur”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Elfter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1958. pp. 3-185., p. 88; Hervorh. i. O.) liege, entspreche die „eigentümliche Einheit der Komödie“, die also mit der Parabase verbunden ist, „vollkommen dem Inhalt derselben, wo alles, also auch die Handlung selbst, Witz, Scherz und Spiel ist“ (Schlegel, 1958______. “Geschichte der europäischen Literatur”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Elfter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1958. pp. 3-185., p. 89). Obwohl Schlegel nicht über den Übergang von der Tragödie zur Komödie sprach, konzipierte er die Parabase im Voraus als das Element dieses Übergangs, das Hegel erst später ansprach.

Schlegels Antizipation der Parabase als Differenzierungs- oder Übergangsfaktor zwischen Tragödie und Komödie lässt die Frage auftauchen, ob Schlegels Vorlesungsmanuskript zur „Geschichte der europäischen Literatur“ Hegel nicht zugänglich war und auch Einfluss hatte. Behler berichtet, Schlegel habe nach der „damalige[n] Art der Vervielfältigung“ von seinen Vorlesungsmanuskripten „gern Abschriften herstellen“ lassen, und schließlich stellt er fest, dass „es sich bei beiden Manuskripten zur [Geschichte der] europäischen Literatur [...] mit aller Wahrscheinlichkeit nicht um Hörermitschriften, noch spätere Ausarbeitungen von Vorlesungsnotizen, sondern um direkte Abschriften von den Originalmanuskripten Schlegels handelt“ (Behler, 1958______. “Editionsbericht”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Elfter Band, pp. IX-LIII, 1958., p. XLIII-XLIV).21 21 Von Schlegels Vorlesungen der Kölner Zeit waren, so Behler, „zahlreiche Manuskripte in verschiedenen Handschriften in Umlauf, wie auch aus dem Nachlaßkatalog hervorgeht. Daß es hier nicht um verschiedene Mitschriften, sondern eindeutig um die Kopie identischer Texte handelt, haben wir inzwischen feststellen können“ (ibid.). Nun sind die Manuskripte der Vorträge zur „Geschichte der europäischen Literatur“ in den elften Band der „Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe“ aufgenommen worden und der Vergleich zwischen Manuskripten und Transkripten belegt die Authentizität von diesen (ibid.). Dazu ist der Umstand zu berücksichtigen, dass 1803 der Vortrag in Paris in einem geschlossenen Kreis, also „vor vier Hörern“, gehalten wurde, während der Kölner Vortrag im darauffolgenden Jahr „nach dem unveränderten Pariser Text unter großem Beifall“ gehalten worden sein soll (Behler, 1958______. “Editionsbericht”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Elfter Band, pp. IX-LIII, 1958., pp. XXX, XXXVI). Demnach ist nicht auszuschließen, dass sich mindestens eine dieser Reproduktionen in Hegels Besitz befand.

Aus den bisherigen Überlegungen könnte der Schluss gezogen werden, dass Hegel bei der Konzeption der Komödie in der PhäG möglicherweise nicht nur Schlegels Aufsatz über Aristophanes von 1794 studiert hat, sondern den entsprechenden Teil des Vorlesungsmanuskripts zur „Geschichte der europäischen Literatur“, und dass er sich die wichtigen Komponenten aneignete, einschließlich der wichtigsten: die Parabase.

VI. Die Komödie auf dem Wege zum absoluten Wissen

Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass Hegels Sicht der Komödie in der PhäG von Schlegel beeinflusst wurde, schadet dies in keiner Weise seiner Originalität, da Hegel daraus ein eigenes System in großem Maßstab entwickelte.

Wenn er die Logik der Entwicklung der griechischen Kunstreligion erörterte, betrachtete er eigentlich nicht nur den Übergang von der Tragödie zur Komödie, sondern den vom Epos zur Tragödie auf der formalen Leistungsebene: Hegel diagnostizierte, dass der Mangel des Epos darin besteht, dass das darstellende Selbst - der epische Sänger - sich außerhalb des dargestellten Inhalts befindet. Nach Hegel wird dieses Problem in der Tragödie dadurch gelöst, dass „[i]n Ansehung der Form [...] die Sprache dadurch, daß sie in den Inhalt hereintritt, auf[hört], [wie im Epos] erzählend zu sein, wie der Inhalt, ein vorgestellter [zu sein]“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 534). Das heißt, der Übergang vom Epos zur Tragödie wird dadurch geschaffen, dass der Schauspieler selbst im dramatischen Inhalt spricht - wenn auch mit der Maske eines sittlichen Helden. Und dies - dass der Schauspieler hinter der Maske spricht - stellt wiederum das Problem der Tragödie dar, wie oben gezeigt wurde, welches in der Komödie durch das parabatische Maskenspiel zu lösen sei.

Diese Verortung der Komödie bzw. der Parabase in dem sich entwickelnden System ist einer der Aspekte, die Hegel über Schlegel hinaus herausgearbeitet hat. In diesem System markiert die Komödie das Ende der Kunstreligion und den Übergang zur offenbaren Religion. Darin hebt die Parabase die gesamten Vorstellungsapparate der Kunstreligion auf, die in den verschiedenen Genres wie Bildhauerkunst, dionysischem Kultus, olympischem Festspiel, Epos und Tragödie konkretisiert sind:

Dadurch, daß [in der Komödie] das einzelne Bewußstein in der Gewißheit seiner selbst es ist, das als diese absolute Macht sich darstellt, hat diese die Form eines Vorgestellten, von dem Bewußtsein überhaupt Getrennten und ihm Fremden verloren, wie die Bildsäule, auch die lebendige schöne Körperlichkeit oder der Inhalt des Epos und die Mächte und Personen der Tragödie waren; - auch ist die Einheit [in der Komödie] nicht die bewußtlose des Kultus und der Mysterien, sondern das eigentliche Selbst des Schauspielers fällt mit seiner Person zusammen, so wie der Zuschauer [der Komödie] in dem, was ihm vorgestellt wird, vollkommen zu Hause ist und sich selbst spielen sieht (Hegel 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 544; Hervorh. i. O.).

Die Komödie hebt nämlich die gesamten Vorstellungsweise verschiedenen Gattungen der Kunstreligion auf, indem sie die Trennung zwischen dem Bewusstsein und dessen Gegenstand überhaupt auflöst - indem sie also die Stufe des Bewusstseins aufhebt, in der dessen Gegenstand vorgestellt wird. Diese Aufhebung erfolgt nämlich dadurch, dass mit dem Vollzug der Parabase der Darsteller, der dargestellte Inhalt und der Zuschauer in einem glückseligen Zu-sich-Kommen vereinigt werden.

Diese systematische Behandlung der Parabase scheint es mir jedoch zu ermöglichen, dass sich das Potenzial der Parabase viel weiter ausdehnt, als Hegel es selbst annahm: Indem die Komödie die bewusstseinsmäßige Trennung der Kunstreligion beendet, scheint sie damit den Vorstellungsapparat der Religion überhaupt - einschließlich der offenbaren Religion - aufzuheben. Das Vorstellen als die Art und Weise der Religion, das Absolute aufzufassen, entspricht in dem Maße nicht dem absoluten Wissen, in dem in diesem Letzteren das Absolute und das Wissen des Absoluten in der Form des Selbstbewusstseins miteinander übereinstimmen. In der Religion überhaupt kommt das Selbstbewusstsein des Absoluten nur noch als Gegenstand des vorstellenden Bewusstseins in Frage:

Der Geist der offenbaren Religion hat sein Bewußtsein als solches noch nicht überwunden, oder, was dasselbe ist, sein wirkliches Selbstbewußtsein ist nicht der Gegenstand seines Bewußtseins; er selbst überhaupt und die in ihm sich unterscheidenden Momente fallen in das Vorstellen und in die Form der Gegenständlichkeit (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 575).22 22 Vgl. Hegel, 1987, p. 76.

In diesem Zusammenhang markiert im Voraus das Verfahren der Parabase in der Komödie eine Aufhebung des Vorstellens überhaupt, die erst auf der Stufe des absoluten Wissens vollständig erreicht wird. Die parabatische Aussetzung der Vorstellung findet aber nur für eine Weile zwischen dem Ende der Kunstreligion und dem Anfang der offenbaren Religion statt. Sie dauert nur für einen historischen Moment der Alten Komödie. Als solche antizipiert sie jedoch das absolute Wissen, in dem das Selbstbewusstsein des Absoluten wirklich zur Darstellung kommt.23 23 Dass das komische Bewusstsein den Charakter einer Aufhebung des Vorstellungssystems der Religion überhaupt hat, die bei Hegel auf das absolute Wissen abzielt, hat P. Ricoeur zu Recht bemerkt: „Man kann sich schon fragen, ob nicht diese Apologie der ironischen Distanzierung […] etwas über die Strategie Hegels nicht nur was der griechischen Religion angeht, sondern der Religion überhaupt, mitteilt“ (Ricoeur, 1992, p. 46 f.; Übersetzung aus dem Französischen und Hervorhebungen vom Verfasser). Aber auch in Schlegel findet sich, wenn auch ansatzweise, das Theorem der Ironie, die über das Endliche auf das Unendliche hinausweist: „Ironie ist gleichsam die ἐπίδɛιξις d[er] Unendlichkeit, d[er] Universalität, vom Sinn fürs Weltall“. (Schlegel, 1963, p. 128; eckige Klammer eingefügt vom Herausgeber); dieses Fragment stammt aus dem Jahr von 1798; dazu vgl. auch Prang, 1972, p. 13. Das Vorstellen ist nach Hegel im Grunde eine „synthetische“ Aktivität (Hegel, 1986a, pp. 558, 560, 564), die heterogene Elemente insofern zusammensetzt, als sie nur räumlich nebeneinander oder temporal nacheinander angeordnet werden, so dass eine nur lose Einheit hervorgebracht wird. Die Art und Weise, das Absolute in einer Geschichte darzustellen, die in der Vergangenheit in der Beziehung zwischen Vater und Sohn vorkam, ist die typische Darstellungsweise der offenbaren Religion (Hegel, 1986a, pp. 555-558). „Diese Form des Vorstellens“ ist eine „synthetische Verbindung“ (Hegel, 1986a, p. 558). Die „synthetische Methode“ ist aber nach Hegel „am ungenügensten aber bei der Philosophie“ (Hegel, 1986b, p. 537). Das Thema von Hegels Kritik der Vorstellung ist separat zu behandeln.

VI. Schluss

In der vorliegenden Arbeit wurde versucht zu zeigen, dass Hegels Darstellung über die Komödie in der PhäG von Schlegels Texten zur Komödie beeinflusst wurde, dass Hegel möglicherweise wichtige Elemente seiner Überlegung zur Komödie aus diesen Texten übernommen hat und dass er mit dieser Übernahme jedoch das Potenzial der Komödie in seinem System in einem höheren Maße als Schlegel gestärkt hat.

Schlegels Aufsatz über Aristophanes von 1794, der insofern “bahnbrechend” war, als er eine kunstphilosophische Sicht auf die Komödie eröffnete, war für zeitgenössische Leser so breit zugänglich und einflussreich, dass Hegel wahrscheinlich auch wichtige Impulse von ihm erhielt. Als Beweis dafür wurden unter anderem drei strukturelle Überschneidungen zwischen Hegels und Schlegels Darstellungen von Komödien gezeigt: die kunstphilosophische Bestimmung der Komödie, die Betonung der historischen Einzigartigkeit der Alten Komödie als Modell der Kunst und die Betrachtung des Volkes in seiner Doppelseitigkeit.

Der wichtigste Aspekt bei der Feststellung der Ähnlichkeiten ist jedoch, dass beide Autoren die Parabase betonen. Dabei führt Hegel die Parabase als Faktor des Übergangs von der Tragödie zur Komödie ein, und die chronologischen Überlegungen bringt ein, dass diese Einführung möglicherweise auf Schlegels Vortrag über die „Geschichte der europäischen Literatur“ zurückzuführen ist.

Als Systemdenker entwickelte Hegel jedoch das Potenzial der Komödie und der Parabase viel weiter als Schlegel. Das parabatische Spiel mit der Maske in der Komödie markiert in seiner Darstellung die Vollendung der Entwicklung der Kunstreligion und den Übergang zur offenbaren Religion. Da die Parabase aber die Funktion hat, das gesamte Vorstellungssystem überhaupt auszusetzen, kann über Hegels explizite Aussage hinaus gesagt werden, dass die Komödie die Form des Selbstbewusstseins im absoluten Wissen vorwegnimmt, in der die Trennung des Bewusstseins zwischen dem Subjekt und dem Objekt aufgehoben werden kann.

  • 1
    Im Folgenden wird er nur mit dem Nachnamen benannt.
  • 2
    Im Folgenden: PhäG.
  • 3
    Behler (1972______. ”Klassische Ironie, romantische Ironie, tragische Ironie. Zum Ursprung dieser Begriffe”. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972., p. 113) bemerkt diese Einbeziehung, übersieht aber - kurioserweise - die enge, sogar klare Verbindung zwischen Komödie und Ironie, als wollte er nicht darüber nachdenken, wie Hegel hier Schlegels Konzept der Ironie verwendet. Der Bezug auf Schlegel wird auch im bisher ausführlichsten Kommentar zu Hegels Darstellung der Komödie in der PhäG nicht erwähnt (Hebing, 2015HEBING, N. “Hegels Ästhetik des Komischen”. Hamburg: Meiner, 2015., pp. 91-120). Eines der wenigen Beispiele, die von dem Einfluss von Schlegel auf Hegel in der PhäG handelt, ist de Boer, 2009DE BOER, K. “The Eternal Irony of the Community Aristophanian Echoes in Hegel’s Phenomenology of Spirit”. Inquiry, 52: 4, 2009, pp. 311-334. (darin insbesondere Teil VII); de Boer argumentiert, dass sich Hegels Darstellung der viel diskutierten „ewige[n] Ironie des Gemeinwesens“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 352) implizit auf die aristophanischen Komödien und damit auch auf Schlegels Texte über die Komödie bezieht.
  • 4
    Eine andere Passage auf derselben Seite, in der von der Ironie die Rede ist: „[I]n dem Mysterium des Brotes und Weines macht es [das wirkliche Selbstbewusstsein des individuellen Subjekts] dieselbe zusammen mit der Bedeutung des inneren Wesens sich zu eigen, und in der Komödie ist es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt bewußt“. (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 542; Hervorh. vom Verf.; Einfügungen in den eckigen Klammern durch den Verfasser - dies gilt für die gesamte vorliegende Arbeit.)
  • 5
    „Die Ironie ist eine permanente Parekbase.“ (Schlegel, 1963______. “Philosophische Lehrjahre”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische FriedrichSchlegel-Ausgabe. Achtzehnter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1963. pp. 1-501., p. 85) Das Fragment stammt aus dem Jahr 1797.
  • 6
    In der späteren „Vorlesungen über die Ästhetik“ blieben Hegels Darstellung der Komödie zwar in gewisser Hinsicht dieselbe, hat sich aber auch in wichtigen Punkten geändert. Der wichtigste Punkt im Kontext der vorliegenden Arbeit wäre, dass es beim PhäG, wie im Folgenden gezeigt wird, um die formale Dimension der Aufführung geht, während es in den „Vorlesungen über die Ästhetik“ nicht mehr darum geht. Worin die Unterschiede zwischen Hegels zwei Darstellungen der Komödie in der PhäG und in den „Vorlesungen über die Ästhetik“ bestehen, ist ein weiteres Thema, mit dem sich die vorliegende Arbeit nicht befassen kann.
  • 7
    Hier beschränke ich mich darauf, den bekanntesten Fall aus Holtermanns Ausführungen zu zitieren, Voltaire: „Dieser Komödiendichter [Aristophanes], der weder komisch noch Dichter ist [...], scheint mir viel niedriger und verächtlicher zu sein, als Plutarch ihn porträtiert hat. [...] Es ist also [...] der Mann, der aus der Ferne Gift hergestellt hat, aus dem berüchtigte Richter den tugendhaftesten Mann Griechenlands gemacht haben“. Voltaire, Dictionnaire philosophique, Art “Athéisme” (1769), S. 208 (zitiert nach Holtermann (2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 57); Übersetzungen vom Verfasser).
  • 8
    Wie Holtermanns diesen Zusammenhang zwischen Freiheit und Parabase in der Komödie erklärt, ist eher sparsam.
  • 9
    Der dritte Punkt bei Holtermann wird im übernächsten Teil (IV) der Arbeit kritisch kommentiert.
  • 10
    Pinkard, 2000PINKARD, T. “Hegel. A Biography”. Cambridge: Cambridge University Press, 2000., p. 49.
  • 11
    Behler, 1979BEHLER, E. “Einleitung”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Erster Band, pp. XIII-CXCII, 1979., p. LXXIV, CLII, CLXVIII, CLXX.
  • 12
    De Boer (2009DE BOER, K. “The Eternal Irony of the Community Aristophanian Echoes in Hegel’s Phenomenology of Spirit”. Inquiry, 52: 4, 2009, pp. 311-334., p. 326) verweist auch darauf, dass sich Hegel sehr für die griechische Tragödie und Komödie interessierte, seine zeitgenössische Autoren in breitem Umfang las und wenigstens einige der Texte Schlegels in der Zeit der Abfassung der PhäG kannte. Hegel nahm ihr zufolge möglicherweise einen Hinweis von Schlegel, als er in dem ersten Unterkapitel (A. Der wahre Geist. Die Sittlichkeit) aus dem fünften Kapitel (Der Geist) in der PhäG den Untergang der griechischen Kultur aus der Sicht der aristophanischen Komödie interpretierte.
  • 13
    Werner Hamacher vermutet in einer seiner Studien über Hegel auch, dass er den Aufsatz gelesen haben könnte (Hamacher, 2000HAMACHER, W. “(Das Ende der Kunst mit der Maske)”, in: K. H. Bohrer (ed.), 2000, pp. 121-155., p. 146).
  • 14
    Pinkard, 2000PINKARD, T. “Hegel. A Biography”. Cambridge: Cambridge University Press, 2000., p. 77.
  • 15
    Übrigens war Hegel in Jena ein Besucher von Friedrich Schlegels Vorlesungen über die Transzendentalphilosophie. Michael N. Forster stellt fest, inwieweit diese Vorlesungen die Grundzüge des absoluten Idealismus antizipieren: “Taken collectively, these anticipations are indeed so extraordinary that they can, in my view, only be satisfactorily explained as influences of Schlegel on Hegel” (Forster, 2018FORSTER, M. “Friedrich Schlegel and Hegel”. In: M. Forster, J. Korngiebel, K. Vieweg (eds.), 2018, pp. 139-180., p. 140). Er lässt aber die Möglichkeit von Einflüssen von Herder, Hölderlin und Schelling in dieselbe Richtung offen (ibid.).
  • 16
    Und: „Sie [die alte Griechische Komödie] ist ein unübertreffliches Muster schöner Fröhlichkeit, erhabener Freiheit, und komischer Kraft, bei allen Fehlern“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 30; Hervorh. vom Verf.).
  • 17
    „Freilich übertraf auch der gemeine Mann zu Athen, nicht bloß an natürlichem Geist und geselliger Bildung, sondern noch weiter an Freiheit und Energie des sittlichen Gefühls, alle seinesgleichen“ (Schlegel, 1979SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33., p. 26).
  • 18
    Holtermann (2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 97 (Anm. 18) und p. 99) bemerkte diese Ambivalenz nur am Rande.
  • 19
    Holtermann, für den das Verhältnis zwischen Hegel und Schlegel überhaupt kein Thema ist, erwähnt, wenn auch nebenbei, dass sowohl Hegel als auch Schlegel in der aristophanischen Komödie den Hinweis auf den Sittenverfall sehen (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 116 (Anm. 92)).
  • 20
    Holtermann weist darauf hin, dass diese Betrachtung Schlegels über die etymologische Beziehung zwischen Parabase und ἔκβασις wenig begründet ist (Holtermann, 2004HOLTERMANN, M. “Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert”. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2004., p. 94 (Anm. 9)). Dies schadet aber Schlegels Argumentation insgesamt nicht.
  • 21
    Von Schlegels Vorlesungen der Kölner Zeit waren, so Behler, „zahlreiche Manuskripte in verschiedenen Handschriften in Umlauf, wie auch aus dem Nachlaßkatalog hervorgeht. Daß es hier nicht um verschiedene Mitschriften, sondern eindeutig um die Kopie identischer Texte handelt, haben wir inzwischen feststellen können“ (ibid.). Nun sind die Manuskripte der Vorträge zur „Geschichte der europäischen Literatur“ in den elften Band der „Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe“ aufgenommen worden und der Vergleich zwischen Manuskripten und Transkripten belegt die Authentizität von diesen (ibid.).
  • 22
    Vgl. Hegel, 1987______. “Vorlesungsmanuskripte I (1816-1831)”. In: Gesammelte Werke, Bd. 17, Hrsg. von Walter Jaeschke, Hamburg: Meiner, 1987., p. 76.
  • 23
    Dass das komische Bewusstsein den Charakter einer Aufhebung des Vorstellungssystems der Religion überhaupt hat, die bei Hegel auf das absolute Wissen abzielt, hat P. Ricoeur zu Recht bemerkt: „Man kann sich schon fragen, ob nicht diese Apologie der ironischen Distanzierung […] etwas über die Strategie Hegels nicht nur was der griechischen Religion angeht, sondern der Religion überhaupt, mitteilt“ (Ricoeur, 1992RICOEUR, P. “La ‘Vorstellung’ dans la philosophie hégelienne”, In: P. Ricoeur. 1992, pp. 41-62., p. 46 f.; Übersetzung aus dem Französischen und Hervorhebungen vom Verfasser). Aber auch in Schlegel findet sich, wenn auch ansatzweise, das Theorem der Ironie, die über das Endliche auf das Unendliche hinausweist: „Ironie ist gleichsam die ἐπίδɛιξις d[er] Unendlichkeit, d[er] Universalität, vom Sinn fürs Weltall“. (Schlegel, 1963______. “Philosophische Lehrjahre”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische FriedrichSchlegel-Ausgabe. Achtzehnter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1963. pp. 1-501., p. 128; eckige Klammer eingefügt vom Herausgeber); dieses Fragment stammt aus dem Jahr von 1798; dazu vgl. auch Prang, 1972PRANG, H. “Die romantische Ironie”. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972., p. 13. Das Vorstellen ist nach Hegel im Grunde eine „synthetische“ Aktivität (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., pp. 558, 560, 564), die heterogene Elemente insofern zusammensetzt, als sie nur räumlich nebeneinander oder temporal nacheinander angeordnet werden, so dass eine nur lose Einheit hervorgebracht wird. Die Art und Weise, das Absolute in einer Geschichte darzustellen, die in der Vergangenheit in der Beziehung zwischen Vater und Sohn vorkam, ist die typische Darstellungsweise der offenbaren Religion (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., pp. 555-558). „Diese Form des Vorstellens“ ist eine „synthetische Verbindung“ (Hegel, 1986aHEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a., p. 558). Die „synthetische Methode“ ist aber nach Hegel „am ungenügensten aber bei der Philosophie“ (Hegel, 1986b______. “Wissenschaft der Logik II”. In: Theorie Werkausgabe. Bd. 6, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986b., p. 537). Das Thema von Hegels Kritik der Vorstellung ist separat zu behandeln.

Literatur

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  • ______. “Editionsbericht”. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner, Elfter Band, pp. IX-LIII, 1958.
  • ______. ”Klassische Ironie, romantische Ironie, tragische Ironie. Zum Ursprung dieser Begriffe”. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972.
  • BOHRER, K. H. (ed.). “Sprachen der Ironie, Sprachen des Ernstes”. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000.
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  • DE BOER, K. “The Eternal Irony of the Community Aristophanian Echoes in Hegel’s Phenomenology of Spirit”. Inquiry, 52: 4, 2009, pp. 311-334.
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  • HEGEL, G. W. F. (1807). “Phänomenologie des Geistes”. In: Theorie Werkausgabe Bd. 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986a.
  • ______. “Wissenschaft der Logik II”. In: Theorie Werkausgabe Bd. 6, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986b.
  • ______. “Vorlesungen über die Ästhetik III”. In: Theorie Werkausgabe Bd. 15, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986c.
  • ______. “Vorlesungsmanuskripte I (1816-1831)”. In: Gesammelte Werke, Bd. 17, Hrsg. von Walter Jaeschke, Hamburg: Meiner, 1987.
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  • PRANG, H. “Die romantische Ironie”. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972.
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  • ______. “Lectures 3. Aux frontières de la philosophie”. Paris: Seuil, 1992.
  • SCHLEGEL, F. (1794). “Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie”. In: BEHLER, E. (ed.). Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe Erster Band. München: Ferdinand Schöningh, 1979. pp. 19-33.
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  • ______. “Philosophische Lehrjahre”. In: In: BEHLER, E. (ed.). Kritische FriedrichSchlegel-Ausgabe Achtzehnter Band. München: Ferdinand Schöningh, 1963. pp. 1-501.

Publication Dates

  • Publication in this collection
    02 May 2022
  • Date of issue
    Jan-Apr 2022

History

  • Received
    19 Oct 2020
  • Accepted
    15 Jan 2021
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